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Donnerstag, 10. Dezember 2009

in memoriam - katzengeschichte no. 3

mafia cioccolata kam ende juli 1991 im begehbaren kleiderschrank meiner berliner altbauwohnung in berlin neukölln zur welt. sie war das einzige mädchen im dreierwurf. die anderen beiden waren rote tigerkater – ganz der vater.

der rote kater peter aus dem haus nebenan war damals der einzige zeugungsfähige seiner art - in der gesamten nachbarschaft im sozialen brennpunkt am reuterplatz. nicht, dass er oder sein besitzer jemals alimente gezahlt hätten. aber die ähnlichkeit war unübersehbar. ein jahr später war er nicht nur mafias vater, sondern auch ihr liebhaber und vater ihrer fünf kinder.

eigentlich hatte ich das kätzchen gar nicht behalten wollen. wie die anderen beiden war sie versprochen und sollte im alter von drei monaten abgeholt werden. aber der neue besitzer kam nicht. sie blieb übrig. bis dahin hatte ich sie schon so lieb gewonnen, dass ich sie niemals wieder hergeben wollte. außerdem waren sie ein superteam, sie und ihre mutter mii-zeh maier. gemeinsam haben die beiden sogar dicke doofe stadttauben erlegt.




mafia cioccolata habe ich sie genannt, weil sie so frech war und so süß. nie zuvor habe ich eine katze erlebt, die so freundlich war, so zärtlich und so liebevoll. immer. egal was man mit ihr machte – und die so lautstark renitent werden konnte, wenn sie ihren willen nicht gleich bekam.

mafia hätte man am schwanz ziehen können – sie hätte trotzdem noch geschnurrt. aber wehe, ihr futter wurde nicht pünktlich um dreiviertel sechs serviert! dann konnte sie so vorwurfsvoll quäken, als hätte sie drei wochen lang nix zu fressen gekriegt.

überhaupt ihre stimme. die war eigentlich schrecklich. geradezu penetrant, aber unverkennbar! hätte ich gewusst, dass sie die ein katzenleben lang behält, dann hätte ich sie nicht mafia getauft, sondern sirene.

mafia cioccolata war eindeutig die häuslichere von meinen beiden katztieren. es war ganz auffällig, dass sie – im gegensatz zu ihrer mutter – abends regelmäßig nach hause kam und selten eine nacht draußen verbrachte. wenn doch, dann war sie irgendwo eingesperrt.

zum beispiel im kohlenkeller. im kohlenkeller waren die einzelnen verschläge mit groben latten abgetrennt, die türen wacklig gezimmert. es gab viel luft oben und unten. mafia sprang aus dem stand auf die oberen türkanten und auf der anderen seite wieder runter. wenn sie einmal über eine türe drüber war, konnte sie sich dahinter von abteil zu abteil bewegen, irgendwo gab es immer eine lücke.

nur einen keller gab es wohl, da kam sie zwar irgendwie von hinten rein, aber nicht wieder raus. das dumme war, dass ich für diesen keller keinen schlüssel hatte. ich hörte mafia dann irgendwo kläglich maunzen, konnte sie aber nicht befreien.

es hat ziemlich lange gedauert, bis ich herausfand, dass ich von der äußeren hauswand aus das kleine kellerlukengitter ein stück wegbiegen und sie herauswitschen lassen konnte. zum glück hat von den anderen hausbewohnerInnen nie jemand gepetzt, wer für das verbogene kellerlukengitter verantwortlich war.

mafia kletterte maschendrahtzäune hoch wie ein äffchen: zweieinhalb meter in nullkommanix! dann balancierte sie oben auf dem schmalen zaunpfosten und hops! stand sie im nachbarhof.

mafia wußte immer ganz genau, was sie wollte. wenn sie zum beispiel aus dem treppenhaus in den hof hinaus wollte, stand sie so lange innen an der hoftüre, bis jemand vorbeikam, den sie klagend anmaunzte, bis ihr gefälligst die türe geöffnet wurde. wenn es ihr zu lange dauerte, bevor jemand kam, dann rannte sie die treppe wieder hoch und schaute nach, ob im ersten stock das fenster zum hof offen stand. wenn ja, sprang sie da raus. aus dem ersten stock. weil sie so unbedingt auf den hof wollte.

das habe ich mehr als einmal erlebt. einmal stand ich mit der nachbarin plaudernd bei den fahrrädern. plötzlich macht es „plopp“. da stand meine katze mitten im hof, bei geschlossener hoftüre - aber geöffnetem treppenhausfenster eine etage höher. sie war wie vom himmel gefallen und maunzte mich vorwurfsvoll an, wie ich nur dazu käme, sie so lange warten zu lassen!

mafia hat es immer wieder geschafft, mich zu verblüffen mit ihrem kätzischen wagemut und ihrem liebenswerten eigensinn.

genau wie ihre mutter war auch sie oft unterwegs in den schrebergärten, die sich an den zweiten hinterhof und den kirchhof und den kindergartenspielplatz mit der großen wiese anschlossen. wenn ich sie abends vermisste, umrundete ich das große areal mit lauten lockrufen.

während mii-zeh maier sich dann regelmäßig taub stellte und manchmal wochenlang verschollen blieb, kam mafia meist angetrabt aus der hintersten ecke und quer über die wiese mit lautem „maumaumau“, sobald sie meine stimme hörte.

dann kruschtelte sie so lange „maumaumau“ am zaun entlang durch büsche und gestrüpp, bis sie einen weg zu mir nach draußen fand. oder sie marschierte den maschendrahtzaun hoch und ich konnte sie kopfüber vom pfosten herab in empfang nehmen.

auf dem rückweg balancierte sie auf meiner rechten schulter sitzend um den häuserblock herum. oder sie lief vor und neben und hinter mir her, bis wir wieder zu hause waren. von ihrem schulterthron herab fauchte sie jeden kampfhund in die flucht. siegessicher. so war sie: ganz löwe!

fast zwei jahrzehnte lang hat sie mich begleitet. heute vor neun wochen ist sie gestorben. ich vermisse sie sehr.

immer noch erscheint mir die wohnung ohne katze doppelt so groß wie vorher, entsetzlich leer und sehr sehr kalt – ganz egal, wie hoch ich die heizung dreh'.


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