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Sonntag, 31. Januar 2010

working poor?

hatte ich neulich noch ganz zuversichtlich geschrieben, dass der lohn auf meiner neuen stelle am monatsende zumindest für die miete reichen würde, belehrt mich nun die realität eines besseren:



das monatsende ist da. das monatsgeld ist nicht da. ich kann also morgen, am nächsten monatsersten, meine miete – mal wieder – nicht bezahlen.

dass mein neuer lohn nicht besonders viel sein und kaum zum leben reichen würde, das war mir schon klar: ich hatte ausgerechnet, dass der nettolohn aus meiner 85%-stelle weit unter dem betrag liegen wird, den ich vor rund zehn jahren als arbeitslosengeld aus einer halben stelle erhalten hatte.

nun gut, es ist meine entscheidung, dass ich mich darauf eingelassen habe – denn es ist alles besser als arbeitslos oder prekär selbständig zu sein. ich habe es auch gut getroffen: ein eigenes büro, ausreichend geheizt, sehr humane arbeits- und regelmäßige freizeiten, freundliche gebildete menschen um mich herum. ich stehe nicht irgendwo an einem fließband, nicht in einer lauten zugigen fabrikhalle, ich muss nicht im akkord eklige schweinswurst in plastik verpacken und es gibt auch keinen widerlichen chef, der nach dem falschen rasierwasser stinkt und meint, ausgerechnet mir erklären zu müssen, wo‘s im leben lang geht. ich muss noch nicht einmal eine uniform tragen.

also kein grund zum jammern, im grunde.
aber wovon soll ich leben, wenn mir kein geld gezahlt wird? wie soll ich arbeiten, wenn ich mir nichts zum essen kaufen kann?

das arbeitslosenamt weigert sich vorläufig, mir auch nur einen weiteren cent zu zahlen. die schreiben mir – im demütigenden kasernenton, wie immer – dass sie in meiner angelegenheit keinen finger mehr rühren geschweige denn irgend etwas ausrechnen und erst recht kein geld bezahlen werden, bevor ich nicht abrechnung des arbeitgebers und kontoauszüge mit nachweis über zeitpunkt und höhe des geldeingangs vorgelegt habe. es gibt aber keinen geldeingang bislang. was soll ich also vorlegen? was bin ich auch so dumm, unbedingt arbeiten zu wollen!

der gehaltsabrechner von meiner arbeitgeberin heißt „landesamt für besoldung und versorgung“. ich erhalte von dort auch keinen lohn oder gar ein gehalt. nein. ich beziehe bezüge. wie beim bettwäschewechsel. es ist mir egal, wie sie es nennen. hauptsache, die bezahlung für die von mir geleistete arbeit wird korrekt berechnet und pünktlich ausgezahlt in deutschen euro. denn auch eine nichtsoldatin will gut besoldet und versorgt sein.

gerade das aber scheint das amt nicht als seine oberste pflicht anzusehen, sondern eher dafür zuständig zu sein, für das land geld zu sparen, indem es fällige zahlungen möglichst lange hinauszögert:

ich hatte alle papiere und anträge und formulare und eidesstattliche versicherungen etcpp rechtzeitig und vollständig abgegeben und eingereicht. ich war ganz brav, wirklich. obwohl mir der im schrecklichsten amtsdeutsch abgefasste papierkram sehr suspekt war. ich habe mich verbissen durchgebissen und war ohne einschränkung kooperativ.

dann kam die erste verdienstbescheinigung mit einem vorläufigen nettolohn, der weit unter meinem hartz4 geld lag – inklusive der aufforderung, doch gefälligst endlich meine lohnsteuerkarte einzureichen. ich verstand es nicht. die lohnsteuerkarte hatte ich mit allem anderen gleichzeitig abgegeben.

ich rief an bei frau landesverzögerungsamt. sie teilte mir mit, dass all meine schön sortierten papiere am posteingang erst einmal auseinander gerissen und in die einzelnen mehr oder weniger zuständigen landesbesorgungsamtsabteilungen verteilt werden. aha.

und die lohnsteuerkarte? die musste erst eingescannt werden, da gab es wohl einen stau am scanner, weil dort viel betrieb sei wegen der häufung neuer lohnsteuerkarten zum jahresanfang. jedenfalls habe sie selbige noch nicht erhalten aber da, in der ferne, ja das könnte sie sein …

aha. das schwäbische erbsenzähleramt verschlampt also meine unterlagen im scannerstau und dann wird natürlich mir unterstellt, dass ich dafür verantwortlich sei. *grmblfx*. nicht ärgern, kleine mo! in fast fünfzig jahren bundesrepublik deutschland hattest du zeit genug, zu lernen, dass ein deutsches amt keinen fehler macht, ja geradezu übermenschlich fehlerfrei ist!

ich fühle mich wie kafkas kleine schwester, verloren im großen grauen schloss. leere gänge, verschlossene türen. vergebliches warten. hin und her und auf und ab. niemand zuständig.

frau landesbesorgungsamt machte mir schließlich ein huldvolles angebot, das weit hinter ihren eigentlichen pflichten zurückblieb: mir des gehalt anhand der nun doch vorliegenden lohnsteuerkarte noch einmal neu zu berechnen und die mir zustehende differenz dann im nächsten monat mit auszuzahlen.

im nächsten monat?! aber gnädige frau! hartz4 ist schon zum leben zu wenig. aber ein arbeitslohn, der fast fünfzig prozent darunter liegt?! ich soll dem land ein zinsloses darlehen gewähren?! ich habe korrekt gearbeitet und erwarte dafür auch eine korrekte bezahlung!

sie hatte ein noch huldvolleres einsehen und bot mir an, den mir zustehenden differenzbetrag als abschlag noch vor monatsende zu überweisen. das war vor zehn tagen. ich habe auch eine schriftliche bestätigung erhalten. bloß das geld nicht.

die von mir angegebene bankverbindung habe ich ein halbes dutzend mal nachkontrolliert. aus angst, dass der fehler vielleicht doch bei mir liegen könnte. aber so oft ich auch die zahlen vergleiche: sie bleiben korrekt. der ausbleibende geldeingang ist nicht korrekt.

ist das die strafe dafür, dass ich gewagt habe, bei einem deutschen amt vorzusprechen und auf einen fehler hinzuweisen? neinneinnein, die meinen das nicht persönlich. deutsche ämter sind einfach so. ich muss acht geben, dass ich nicht zu allem anderen auch noch einen verfolgungswahn entwickle.

geld ist jedenfalls keins mehr da.
mein dispo ist weit überzogen, wie immer.
ich knirsche mit den zähnen vor wut und angst und verzweiflung.
was sage ich bloß meinem arroganten spießervermieter?
es schnürt mir die luft ab.
ich hoffe auf morgen.
oder übermorgen.
still halten. nicht aufregen.
tief durchatmen.
geduld haben.
jetzt bloß nicht rückfällig werden.
ich habe schon schlimmeres überstanden ...


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