Achtung. Achtung. Achtung.
Wir sind umgezogen!

Januar 2021

Das Büro für besondere Maßnahmen ist ab sofort erreichbar auf mojour.de

Nach und nach werden alte Beiträge – ggf. aktualisiert und überarbeitet – dorthin umziehen. Bitte folgen ... :-)

Mittwoch, 28. April 2010

heute. hier. jetzt.

guten morgen! meine kurze maßnahme no. 8 ist eine kleine antwort auf smillas post aus der vergangenen nacht, das mich sehr an meine vielen heiteren zeiten auf griechischen inseln erinnert hat ....


.... und an das zitat von leo tolstoi, das meinen diesjährigen kalender betitelt und mich auf diese weise täglich begleitet:

denke immer daran, dass es nur eine wichtige zeit gibt:
heute. hier. jetzt.

genau. im zweifelsfall ist leben wichtiger als aufschreiben (oder bloggen). deswegen gönne ich mir heute einen sonnigen frühlingstag und wünsche euch allen einen ebensolchen!


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Sonntag, 25. April 2010

long distance call

manchmal hätte ich gerne ein tonband für meine gedanken nach mitternacht. da passieren häufig die seltsamsten dinge in meinem krausen kopf. nach den himmlischen sonnenuntergängen der vergangenen woche, bei denen die sonne sich schüchtern und geradezu zärtlich in die vulkanaschewolke aus island hüllte, zum beispiel:


die wanderung der aschewolke nach dem ausbruch des islandischen vulkans eyjafjallajökull verlief über ganz europa und fand ihr ende in einem konzentrierten niedergang ausgerechnet im einzugsbereich des BfbM (*) in südbaden. das umweltbundesamt hats ausgerechnet.

alle rätseln und sind verwirrt, warum ausgerechnet hier? mich wundert das nicht, denn die antwort liegt auf der hand: der noch junge vulkan eyjafjallajökull hat neuerdings die öffentlichkeitsarbeit für die vulkane übernommen, und er kommuniziert über aschewolken. wie sonst?! lateinisch favilla bedeutet asche. es wird doch wohl niemand bestreiten, dass dieses wort eindeutig in seinem namen steckt. mit ein bißchen isländischem zungenschlag, versteht sich.

wenn wir nun diese information - die bislang von allen human made medien übersehen wurde, da diese nicht fähig sind, in aschewolken zu lesen - zugrundelegen, dann ist der aschefall in südbaden sonnenklar:

gerade mal zwanzig kilometer weg von mir ist der kaiserstuhl. das ist ein kleines gebirgsmassiv vulkanischen ursprungs und immer noch bekannt als wärmster obst- und weinberg deutschlands – und das, obwohl er schon seit mehr als 10 millionen jahren nicht mehr aktiv ist! was die vulkanische tätigkeit angeht, ist unser kaiserstuhl also ein fauler alter sack (davon gibt es hier in südbaden mehrere).

weil der kaiserstuhl so lange nicht von sich hat reden machen, hat der eyjafjallajökull im isländischen vulkankommunikationskonpetenzzentrum also mal eben eine kurze anfrage geschickt: „ey alter, schläfst du noch?!“.

damit so eine asche-sms von vulkan zu vulkan auch richtig ankommt, muss am himmel absolute stille herrschen. winde und meeresströmungen wollen exakt koordiniert sein. das ist eine großartige vulkanlogistische meisterleistung, die enormer konzentration bedarf.

deswegen war es absolut wichtig – und das haben die europäer ja auch eingesehen – dass für die zeit der vulkanischen nachrichtenübermittlung absolute ruhe herrscht am himmel, die nicht von kondensstreifen aus düsentriebwerken durchkreuzt werden darf.

wie wir erfahren haben, bestand die aschenachricht aus island hauptsächlich aus silicium, aluminium, eisen, magnesium und kalzium sowie ein paar schwefeldioxiden. das sind alles stoffe, die wir menschen ohnehin als spurenelemente und konservierungsstoffe über die nahrung oder teure tabletten aus der apotheke zu uns nehmen.

die vom ejyafjallajökull versandte nachricht war also umweltfreundlich und so präzise getimed, dass sie genau rechtzeitig eintraf, um nebenbei den südbadischen spargel zu düngen, dessen saison hier soeben begonnen hat - und den ich soo sehr liebe!

daraus können wir schließen, dass vulkane über eine immanente intelligenz verfügen. der vulkanier spock hat das zwar schon immer behauptet, aber nun haben wir auch einen terrestrischen beweis dafür.

besonders interessant ist die tatsache, dass vulkane nicht nur unterirdisch miteinander kommunizieren (was ja der kürzere weg wäre) - sondern auch long distance über die erdatmosphäre. vielleicht, weil ihnen das untenrum manchmal einfach zu heiß ist?

die nachricht aus island ist jedenfalls beim kaiserstuhl angekommen. dessen antwort bleibt abzuwarten.


ps.
eyjafjallajökull könnte zu meinem lieblingswort des jahres werden.
die richtige aussprache üben wir hier

BfbM* = Büro für besondere Maßnahmen


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Mittwoch, 21. April 2010

geschenkt: schaumschläger

wenn eine eine reise tut .... dann hat sie nicht nur was zu erzählen, sondern es wird auch von ihr erwartet, dass sie den daheim gebliebenen etwas freundliches mitbringt. zur erinnerung: das souvenir. sozusagen als wiedergutmachung dafür, dass sie alleine losgezogen ist und die anderen nicht mitgenommen hat.


woher dieser brauch stammt und seit wann es ihn gibt, habe ich leider nicht herausfinden können. es scheint aber etwas sehr archaisches zu sein. schon kleine kinder erwarten, dass papa oder mama ihnen etwas mitbringen, wenn sie das haus mal ohne anhang verlassen.

souvenirs scheint eine gewisse magie anzuhängen: aschenbrödel erhielt vom kutscher als mitbringsel aus der stadt drei haselnüsse von ganz außergewöhnlicher zauberkraft.

ein souvenir darf gerne etwas landestypisches sein, sozusagen als beweis dafür, dass ich tatsächlich an dem ort war, von dem ich im anschluss an die reise freudig oder traurig erzähle. freudig, weil ich dort war. traurig, weil ich nicht mehr dort bin. vielleicht.

ein souvenir darf aber auch nicht zu sehr an die ferne erinnern und auf keinen fall zu schön sein, um die armen daheim gebliebenen nicht noch neidischer zu machen, als sie es ohnehin schon sind.

individuell sollte es sein und zumindest ein bißchen auch der besouvenirten gefallen; ein souvenir darf nicht ärgern; also bloß nix kaufen, was dann zu hause doch bloß rumsteht und abgestaubt werden möchte oder sonstewie arbeit verursacht!

es soll leicht sein, damit der eigene koffer auf dem heimweg nicht so schwer wird.

auch zerbrechlich sollte es möglichst nicht sein, das verkomplifiziert die rückreise: meine 5kg handgepäck sind sowieso ausgebucht mit kamera und netbook. umso wertvoller fühlt sich die bedachte, wenn es dann tatsächlich etwas filigranes gibt, das nicht nur bei der auswahl, sondern auch beim rücktransport großer aufmerksamkeit bedarf.

was eignet sich also?

für mich selbst bringe ich gerne was für meine küche mit. ein besonderes kochwerkzeug, das es bei uns nicht gibt. oder ein gewürz. vielleicht auch irgend etwas aus dem supermarkt, etwas, das im besuchten land alltäglich – bei uns aber nur wenig bekannt ist. aus mauritius zum beispiel habe ich mir damals ein chutney aus zitronen, honig und chili mitgebracht. das war so dermaßen lecker, da träume ich heute noch davon! leider gibt es das bei uns nirgends. aber das ist ja auch gerade wieder das gute daran gewesen!

in zeiten der globalisierung ist das mit den sachen von ganz weit weg manchmal schon so eine sache. man kann ja inzwischen fast alles auch hier kaufen (mit ausnahme von mauritianischem zitronenchilihonigchutney) – oder zumindest übers internet bestellen. soll ich mir die mühe überhaupt noch machen?

so ess-sachen sind auch nicht jederfraus geschmack. was ich ganz lecker finde, mag meine freundin vielleicht überhaupt nicht. dann steh ich dumm da. manchmal passiert es mir auch, dass etwas, das ich vor ort unschlagbar köstlich fand, zu hause dann überhaupt nicht mehr schmeckt. weil die luft eine andere ist oder das licht, weil der tee mit anderem wasser gekocht wird, weil die zikaden hier nicht so laut singen. manches schmeckt eben nur dort, wo es auch hergestellt wird und ortsansässig zur kultur passt.

wo auch immer ich hinging in meiner osterferienwoche, überall gab es diese türkis(ch)blauen glasaugen gegen den bösen blick. in allen variationen. außerdem türkische süßigkeiten. prima, habe ich gedacht. aber denkste! das güllü lokum (geleewürfel mit rosenaroma) hätte ich wohl doch vorher probieren sollen ….

dann gab es noch seife. original osmanische olivenölseife! mit byzantinischem rosenaroma! das ist bei uns derzeit auch hochmodern. aber seife?! ich weiß gar nicht, wann das angefangen hat, diese marotte, dass sich plötzlich alle gegenseitig seife schenken.

zum ersten mal erlebt habe ich das vor rund zwanzig jahren in japan. japanerInnen schenken sich gegenseitig seife gleich kiloweise und finden das ganz unbedenklich. in japan macht das sinn, denn dort geht jedeR jeden abend ins o-furo, privat oder öffentlich. und dort ist es usus, sich vor dem heißen bad in der großen gemeinschaftswanne ganz und gar mit seifenschaum einzuhüllen, so dass nicht ein quadratzentimeterchen haut mehr nackig bleibt. sehr japanisch, diese verschäumte verschämtheit. da verbraucht sich ein seifenstück schnell.

ich selbst aber benutze seife am stück kaum noch, schon lange nicht mehr. duschgel, handwaschpaste – alles in flaschen oder tuben. für ein stück seife brauche ich mindestens ein halbes jahr, bevor es sich vollends in schaum aufgelöst hat.

seife ist für mich etwas sehr intimes, sie geht mir schließlich an (und über den geruch auch unter) die haut. da bestimme ich gerne selbst, woraus sie gemacht ist, wie sie sich anfühlt, wonach sie duftet. ich suche sie mir auch gerne aus: es ist mir ein großes sinnliches vergnügen, an den verschiedenen seifenkuchen zu schnuppern. das überlasse ich nicht gerne anderen.

weil es mir selbst also nicht angenehm ist, von anderen beseift zu werden, verschenke ich auch keine. höchstens auf ausdrücklichen wunsch.

leider hat sich das noch nicht so herumgesprochen: seit ungefähr zehn jahren bekomme ich ‚ständig‘ seife geschenkt. ich kann sie gar nicht so schnell verbrauchen, wie sie sich im schrank türmt. manchmal frage ich mich schon, ob ich vielleicht nicht gut rieche?

jedenfalls hänge ich total hinterher mit meinem seifenkonsum und benutze seit jahren notgedrungen irgendwelche seife, die schon ganz lange im schrank lag und mal ganz lieb gemeint war, die ich aber aktuell eigentlich gar nicht mag, bloß weil ich so ein schlechtes gewissen kriege, wenn ich sie wegwerfe und mich statt dessen mit meiner eigenen jetzt-lieblingsseife wasche.

ich muss das mal publik machen in meinem bekanntenkreis: mo jour kauft ihre seife selbst. es gibt dinge im leben, die kann eine kaiserin nicht delegieren. erst recht nicht, wenn sie so geruchsempfindlich ist wie ich es bin.

wo war ich, bevor ich auf der seife ausrutschte und mich daran festhielt? richtig: bei der möglichst gelungenen auswahl von souvenirs.

da hilft nur eines: vorher nachfragen! und zwar mit einer ganz direkten offenen frage, die eine konkrete antwort fordert. auf keinen fall mit der geschlossenen ja/nein-frage. also nicht „darf ich dir was mitbringen?“ das findet natürlich jedeR toll und sagt "ja!", aber mit der entscheidung stehe ich wieder alleine da. unbedingt fragen „WAS darf ich dir mitbringen?“ - darauf erwarte ich eine krass korrekte antwort. wenn die nicht kommt, dann gibt es eben .... schaumschläger?!


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Samstag, 17. April 2010

blümchenwiese

weil es so schön ist, kurze maßnahme no. 7 jedes jahr aufs neue:

sobald es wieder warm genug ist für die ersten kleinen fahrradtouren rund um meinen b-berg, sind auch schon die blumenwiesen reif für die erste ernte:

Blühende Tulpen - Markgräflerland
von diesen blumenackern gibt es in meiner nähe mehrere. sie sind so geschickt bepflanzt, dass ab märz/april bis in den herbst ununterbrochen irgendwelche zur jahreszeit passenden blumen dort blühen.

es ist wie der mädchentraum aus kinderzeiten, mitten auf einer blühenden wiese zu sitzen und mich nach herzenslust bedienen zu dürfen!

ich radel da regelmäßig hin und stelle mir meine lieblingsblumen zusammen. neben dem feld steht ein tisch mit preisliste und ein paar messern: davon eins geschnappt, dann ab auf die blümchenwiese, an allem geschnuppert, farben bewundert, bienchen begrüßt und blumenstrauß ausgesucht!

am ende wird das messer wieder abgegeben, die blumen gezählt und passendes kleingeld in die bereitstehende kassenbüchse geworfen.

ich liebe es!


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Mittwoch, 14. April 2010

kollateralschaden oder „100 tage im amt“

"eigentlich wollte ich nur einen brief zum postkasten bringen. aber dann bin ich aus versehen nach paris gefahren. so fertig war ich mit den nerven."


das wäre eine nette geschichte geworden! aber nein. leider ist meine realität nicht so poetisch. es war kein brief, sondern die caffetiera. ich bin auch nicht nach paris gefahren, sondern ich habe das ceranfeld zertrümmert.

es ist mir noch nie gelungen, wirklich auszubrechen und alles hinter mir zu lassen. statt dessen mache ich irgendeinen unfug, dessen negative auswirkungen nur ich selbst zu spüren bekomme. nach außen hin funktioniere ich bestens, bin immer freundlich und adrett. innerlich zerfleischt es mich.

ich bin fertig mit den nerven, das ist das einzige was stimmt: ich wußte nicht, wohin mit meiner anspannung, mit meinen kopfschmerzen, mit meiner wut, mit meinem tinnitus, mit meiner verzweiflung, mit meiner angst.

jetzt kann ich nichts mehr kochen auf dem herd. aber die caffetiera ist heile geblieben. das ist gut, denn die benutze ich auf dem gaskocher, nicht elektrisch. meine kontinuierliche versorgung mit milchkaffee in ausreichender dosis ist also gewährleistet.

derzeit geht es bei mir um die große frage: „tu ich‘s – oder tu ich‘s nicht“. ich stelle fest: manchmal kann eine besondere maßnahme auch darin bestehen, etwas nicht zu tun. das dumme ist, dass – egal ob ich es tue oder nicht tue – in beiden fällen die aussichten sehr schlecht sind für mich.

es geht um meinen arbeitsplatz. der vertrag ist ja befristet bis ende mai. von anfang an habe ich mich da nicht wohl gefühlt. ich habe mir große mühe gegeben, mich einzuarbeiten, mich einzupassen, mich zu gewöhnen, meinen kopf auszuschalten. es geht nicht.

dabei kann ich noch nicht einmal sagen, was es genau ist, das mich da so fertig macht. genau so wenig, wie ich sagen kann, was ich eigentlich zu tun habe. ich bin in diesem büro nicht nur mädchen für alles, sondern scheinbar auch kindermädchen für alle. dabei hatte ich anfangs gedacht, ich hätte es mit erwachsenen menschen zu tun.

den ganzen tag bin ich mit entfremdeter arbeit beschäftigt. tue nur dinge, die andere für wichtig halten, wann sie es für wichtig halten und wie sie es für wichtig halten. alles muss am besten vorgestern schon erledigt sein. es gibt keinerlei inhalte. nur einen großen grauen mausetoten verwaltungsapparat, den ich bedienen muss. bloß ohne bedienungsanleitung.

fast alles muss ich selbst herausfinden. sehr kafkaesk. ich weiß nie, ob meine arbeit nun gut ist oder richtig oder angemessen oder vielleicht voll daneben? das bewirkt bei mir ein ständiges gefühl der überforderung. ich kann nicht hellsehen, aber es wird scheinbar erwartet.

fachlich bin ich komplett unterfordert, was auf eine paradoxe weise zu meiner überforderung beiträgt. ich darf nicht selbst denken wollen. nur schreckliche verwaltungsformulare am computer ausfüllen, zeugs fotokopieren, post hin und her tragen, fremder leute texte tippen.

ich muss mich sehr verarmen, um diese arbeit tun zu können. es gibt nicht fünf minuten am tag, die mir auch nur ansatzweise spaß machen. es gibt keine erfolgserlebnisse, dafür jede menge druck. es ist ein hamsterrad im knast, die pädagogische horrorschule. es zerquält mich.

es gibt auch keine echte pause. die mittagszeit wird zwar von der arbeitszeit abgezogen, aber das essen mit kollegInnen ist reden über die arbeit, in der mensa: ohrenbetäubender lärm, es riecht nicht gut und schmeckt selten. keine erholung, sondern zusätzliche belastung.

in den ersten wochen habe ich so dermaßen mit den zähnen geknirscht vor anspannung und wut und frust, dass mir drei kronen abgeplatzt sind. das war kein spaß, aber teuer.

derzeit fahre ich jeden morgen heulend zur arbeit. schminke ich mich neu, vor dem aussteigen. im rückspiegel. wenn ich gut bin, halte ich ohne tränen durch bis zum feierabend. dann reicht meine contenance so gerade eben noch, bis ich wieder im auto sitze. ganz lange kann ich nicht losfahren, weil es mich so sehr weint und schüttelt.

meine freie zeit reicht nicht aus, um abzuschalten und wieder runterzukommen. mein seelischer jet-lag wächst täglich, ebenso als entspannungsphantasie die vodka-flasche vor meinem inneren geistigen auge. die frage „tu ich‘s – oder tu ich‘s nicht“ bekommt einen erschreckend lebensbedrohlichen aspekt.

vor wochen schon bin ich gefragt worden, ob ich bleiben und den vertrag verlängern möchte, bis anfang 2012. das wäre eine aussicht auf fast zwei jahre regelmäßiges einkommen! pünktlich die miete zahlen können! so viel sicherheit hatte ich noch nie zuvor in meinem leben.

leider ist die bezahlung so dermaßen grottenschlecht, dass ich monat für monat noch 200 euro vom hartz-amt dazu kriege, um auf mein existenzminimum zu kommen. zusätzlich habe ich nun fast 1000 euro schulden mehr, weil ich für januar angeblich doppeltes geld bekommen habe. das ist eine seltsame amtslogik und rechtlich abgesichert. meine situation verbessert sich dadurch nicht.

als ich im märz gefragt wurde, ob ich bleiben möchte, war ich natürlich erst einmal erfreut. und geschmeichelt. schließlich war das die erste positive reaktion auf meine arbeit dort nach mehr als zwei monaten, mein erstes feedback. wenn sie mich behalten wollen, muss meine arbeit doch ganz in ordnung sein.

wenn ich bleibe, habe ich gefragt, könnte ich dann meine stundenzahl reduzieren? weil mir sonst die kraft zum leben vollends abhanden kommt. das ist leider nicht möglich. ich habe trotzdem zugesagt. nun liegt der vertrag zur unterschrift bereit, und ich weiß nicht mehr, was ich tun soll.

unterschreibe ich, mache ich mich auf dauer unglücklich und riskiere obendrein meine gesundheit, meinen klaren kopf. ganz schlecht.

unterschreibe ich nicht, bin ich bald wieder voll in hartz4. auch ganz schlecht.

vorgestern habe ich bei der ard fernsehlotterie gewonnen. der gewinn ist einer hartz4-aufstockerin angemessen: zehn deutsche euro (das ist seit jahren mein monatlicher einsatz). die darf ich behalten. aber sie reichen nicht einmal für die reparatur des ceranfelds. erst recht nicht für eine fahrkarte nach paris.


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Sonntag, 11. April 2010

finita la musica - passata la festa

eine woche lang hatte ich das sonnige rauschen der ägäis in den ohren - die schönste musik! - fast rund um die uhr, und auch der rest war all inclusive ….


das war ja mein erstes mal, so alles inbegriffen. bislang war es mir immer ein großes gruseln, im urlaub rund um die uhr bespaßt zu werden und mich irgendwelchen gut gemeinten animationen (nein, das sind keine lustigen zeichentrickfilme ….) aussetzen zu müssen.

wenn ich früher unterwegs war, dann wusste ich zwar meist die ungefähre richtung, meistens aber hatte ich keine ahnung, wo mich das konkret hinführte. erst recht nicht wusste ich morgens, wo ich abends schlafen würde. das ging gut, so lange ich viel zeit hatte und neugierig war auf alles, was das leben an fremden orten so zu bieten hat – immer nach der devise „you don‘t know a place, if you don‘t know what it looks like after midnight“.

mit den jahren sind meine urlaubszeiten kürzer geworden, ich habe vieles gesehen und kennengelernt, manches ist – egal wo – die wiederholung von etwas, das ich schon kenne (und das mir womöglich nicht besonders gut gefiel). die welt nach mitternacht interessiert mich nur noch selten, denn auch das nachtprogramm ist an vielen orten ähnlich.

außerdem brauche ich nach mitternacht meinen schlaf, weil ich den frühen morgen sehr viel schöner finde und einen frischen tag ebenso frisch begrüßen möchte. kurz: ich möchte weniger abenteuer, statt dessen mehr erholung. da habe ich eine gewisse infrastruktur zu schätzen gelernt.

als ich mich diesmal auf den weg machte, wusste ich nicht nur abfahrts- und ankunftszeiten im voraus, sondern auch, dass ich am flughafen abgeholt und ins von mir gebuchte hotel gebracht werden würde. welch ein luxus, sehr komfortabel fand ich das!

damit aber nicht genug. all inclusive – das begann erst so richtig mit einem neon(!)gelben plastikbändchen beim check-in. ein gelbes plastikbändchen! am rechten handgelenk! ich war entsetzt. obendrein nicht zu öffnen und so eng, dass ich das tag und nacht tragen muss?! ich?! forget it! nach kurzem palaver schnitt die empfangsdame das an mir bereits installierte gelbband wieder ab und gab mir ein offenes zur freien verwendung. uff!

das neue futterbändel nahm ich dann ganz locker auf links, so dass ich‘s abstreifen konnte, sobald ich mich außerhalb des hotels bewegte. mit dem ding hätte ich mich unmöglich vor die tür gewagt …

gleichzeitig mit dem bändel erhielt ich eine blasse fotokopie, auf der das komplette programm aufgeführt war. inbegriffen waren u.a. drei mahlzeiten täglich sowie snacks und getränke wann immer mir danach war. außerdem die benutzung des pools, der sonnenliegen, der auf den sonnenliegen liegenden matratzen und der zwischen den sonnenliegen stehenden sonnenschirme am pool und am strand. wie nett!

das essen war – nach kleinen anfangsschwierigkeiten – köstlich. ich habe mich drei mal täglich satt gegessen und in der einen woche trotzdem ein kilo abgenommen. das ist mediterran! am meer geht es mir immer gut.

die anfangsschwierigkeiten lagen wohl eher daran, dass am tag meiner ankunft das hotel auch erst den ersten tag wieder geöffnet hatte nach der winterpause. da brauchte es ein paar tage, bis sich alle und alles eingespielt hatte. das taten alle sehr freundlich und charmant, und ich staunte mit großen augen, wie das angebot von tag zu tag immer nur noch und noch mehr wurde.

auf jeden fall habe ich es unendlich genossen, mich an einem reichhaltigen, abwechslungsreichen büfett drei mal täglich bedienen zu dürfen. welch ein geschenk! ich musste die mahlzeiten weder planen noch einkaufen noch zubereiten noch abwaschen noch aufräumen – und ich brauchte mich nie nie nie zu fragen, ob ich mir das jetzt leisten kann oder nicht.

allein das und die langen spaziergänge am strand wären mir erholung genug gewesen.

bisweilen großes vergnügen war es mir dann aber auch, andere pauschalis zu beobachten. entweder von meiner balkonloge auf die swimmingpool-bühne herab, oder kaffee trinkend und schreibend in der lobby sitzend. ich gucke gern!


zum schwimmen und sonnenbaden war es eigentlich noch zu kühl und das hotel war längst nicht ausgebucht. trotzdem gab es gäste, die bereits vor dem frühstück sich mit handtüchern gleich mehrere der wirklich zahlreichen sonnenliegen am pool „reservierten“, die dann wiederum oft den ganzen tag über verwaist da standen. aber besetzt waren. vielleicht könnte ich mit einer „sonnenliegenversicherung“ eine lukrative marktlücke auftun?

ich war nicht am pool, weder dran noch drin – aber es hat mich sehr in den fingern gejuckt, da bisweilen das eine oder andere handtuch wandern zu lassen ....

ein paar mal baden war ich dann natürlich doch, im meer! nach mehr als zweieinhalb jahren, endlich! eine, die schon mal ostern in den berliner wannsee gestiegen ist, die lässt sich doch nicht abschrecken von wassertemperaturen unter 20 grad. es war gigantisch schön, ich liebe dieses einzigartige kribbeln auf der haut und bin sooo froh, dass das salzwasser in meinem gesicht  mal nicht nur tränen waren.

seltsam fand ich die angewohnheit manch anderer gäste, quasi hamstermäßig bei allem auf vorrat zuzugreifen. dabei gab es doch von allem im überfluss. immer! woher kommt diese seltsame angst, nicht genug zu kriegen, zu kurz zu kommen?

ebenso erschreckend fand ich eine pauschale mitnahme-mentalität auch bei dingen, die gar nicht zum angebot gehörten. ich möchte gar nicht wissen, wieviel prozent der inventarschwund eines urlaubshotels pro saison beträgt.

wirklich hin und weg – und auch das all inclusive! - war ich von der freundlichkeit allüberall. es war wie ein bad in herzenswärme! souvenirverkäufer und kellner flirteten mich, es war kaum zu fassen, als ob ich noch zwanzig wäre. fast jeder von denen hätte mein sohn sein können!

die augenzwinkernden angebote für verabredungen nach dienstschluss am strand schmeichelten mir sehr und linderten meine sehnsucht nach südlicher zuwendung. gleichzeitig war ich froh, inzwischen alt und abgeklärt genug zu sein, das nicht ernst zu nehmen. also charmierte ich entzückt retour - und ließ mich auf nichts ein.

am frühen morgen vor meiner abreise erfuhr ich, dass die angestellten für die dauer der saison allesamt im hotel untergebracht sind: die männer hausen unterirdisch in gruppenräumen im keller, in stockbetten. die frauen schlafen auf verschiedene etagen verteilt in den fensterlosen „house-keeping-offices“. es gibt keine freien tage, alle arbeiten vom 1. april bis zum 30. oktober durchgehend 60 bis 80 stunden die woche. der monatsverdienst des hotelboys beträgt 600 türkische lira, umgerechnet 300 euro. er arbeitet tag und nacht und springt ein, wenn irgendwo wer fehlt. der koch erhält immerhin 1200 lira: wann er anfängt, damit das große frühstück für zwei- bis dreihundert leute ab sieben uhr früh fertig ist??? wann er ins bett kommt, wenn das dinner-buffett bis 21uhr30 geöffnet ist??? die kellner liegen mit verdienst und arbeitszeiten irgendwo dazwischen.

ich war tief beschämt.


PS.
fast vergessen: auch WLAN in der lobby war inclusive. emails haben funktioniert. aber youtube und ein paar andere seiten waren von der türkischen regierung zensiert und komplett gesperrt. diese info nur so am rande über ein land, das gerne in die EU möchte.


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Montag, 5. April 2010

klapperstorch im weltwunder

das war eine schöne überraschung, als ich neulich vorgestern das dritte weltwunder der antike besuchte: oben auf der letzten noch verbleibenden säule des artemistempels liegt ein bewohntes storchennest. mit mindestens einem storchenkind drin, das von mama und papa storch fleißig mit frischen fröschen und babyschildkröten gecatert wird. das große klappern gehört hier ganz natürlich zum handwerk:


artemis hätte das sicher gefallen, denn sie gilt nicht nur als göttin der tiere, sondern auch als jagende bestimmerin über geburt und sterben, die erde selbst. artemis war nie verheiratet, keinem manne untertan, sie war frei und kinderlos - und wurde verehrt als beschützerin der frauen jeglichen alters und der kinder.

der ihr geweihte tempel bei ephesos an der türkischen ägäisküste war groß wie ein fußballfeld und dreißig meter hoch. jede menge platz also für angemessene verehrung. eine der vielen tempelvarianten, die im lauf der zeiten entstanden und wieder verfielen, war so schön, dass er in der antike zum weltwunder erklärt wurde. übrig ist davon leider nicht mehr viel: die weiße pracht der letzten version wurde in byzantinischer zeit als marmorsteinbruch vernutzt.

die einzige säule, die symbolhaft noch steht (von ehemals mehr als 120), ist so hoch wie die berliner altbauten aus der gründerzeit: traufhöhe 14 meter. das sind immerhin rund dreiviertel ihrer ursprünglichen größe. die säule steht auch nicht zufällig noch da (das wäre dann ein doppeltes weltwunder), sondern wurde neuzeitlich aus vorhandenen resten mit zement zusammengeklebt. das vermittelt immerhin einen ungefähren eindruck.

sonst gibt es da nix mehr, ein paar große steinblöcke liegen herum. in der woche vor meinem besuch hatte es heftig geregnet, ein großteil des geländes steht noch unter wasser: tümpel und sumpfwiese, teils bedeckt von quietschegrünen algen. eine gänsefamilie in formation marschierte hindurch.

da das ehemalige tempelgelände außer der einen säule, den paar herumliegenden trümmern und einer handvoll souvenirständen optisch nicht viel zu bieten hat, halten die touristen hier meist nur für ein beweisfoto – wenn überhaupt. es kostet noch nicht einmal eintritt. die antike ruinenstadt ephesos nebenan ist da weitaus spektakulärer. bloß das meer ist nicht mehr da, wo es früher mal war.

auch ephesos habe ich mir angesehen, und es ist wirklich beeindruckend – aber die dazu berichteten fakten hatten mit den wirklich wichtigen dingen im leben einer frau nicht viel zu tun. ich fand es wenig aufschlußreich, zu erfahren, welcher kaiser wann welchen triumphbogen oder welches theater oder welche bibliothek gebaut oder abgerissen hat.

es ist – wie so oft in der HIStorie - als hätten dort überhaupt keine frauen gelebt, obwohl die stadt schon in der antike rund eine viertel million einwohnerInnen gehabt haben soll. frauen waren wohl auch hier den herren nicht der rede wert – höchstens als jungfräuliche priesterinnen der großen göttin kommen sie vor. das können ja aber nicht alle gewesen sein. HERstory wurde nirgendwo aufgeschrieben.

angesichts dessen wundert es mich wenig, dass so ein riesiger tempel zu ehren der größen göttin quasi zu nichts zerfällt, während das angebliche bordell der antiken hafenstadt noch vergleichsweise prima erhalten ist.

da ich bei artemis also meine ruhe hatte, bin ich ganz lange auf den trümmern im sumpf gehockt, habe die schildkröten beobachtet, den fröschen zugehört, die schöne duftende frühlingsluft genossen und die relative stille. ich fand diesen platz bemerkenswert, fast magisch - und von einer ganz einzigartigen energie, wie ich sie noch nirgendwo gespürt habe. dieses tempelgelände ist ein ort von sehr sehr großer kraft, ohne zweifel.

am liebsten hätte ich an diesem quakenden froschteich auf den steinen unter der säule einen kleinen hulatanz zu ehren der göttin aufgeführt. das hätte ihr sicher gefallen. ich gestehe: ich habe es nicht gewagt. man darf nicht vergessen, dass ich mich hier in einem islamischen land befinde und sehr froh bin, mich als ungläubige frau alleine draußen überhaupt frei bewegen zu dürfen. ich wollte niemanden provozieren und habe getanzt nur in meinen gedanken.

die idee, ausgerechnet in meinem siebenmalsiebten lebensjahr eine wallfahrt zum tempel der artemis bei ephesos zu unternehmen – und das ausgerechnet an einem karfreitag, verdanke ich der heiteren koinzidenz, dass meine eine woche osterurlaub aus finanziellen gründen hier stattfindet: möglichst auf der sicheren sonnenseite, unbedingt direkt am meer und eventuell badebare temperaturen – das waren meine bedingungen. da gab es für mein budget nicht viele möglichkeiten.

im grunde reicht es mir, so viel wie möglich am strand auf und ab zu laufen und bei langeweile ein paar alte steine besichtigen zu können.

dass ich auf einen solchen schatz an alter heiligkeit und mystischer atmosphäre stoßen würde – nicht im traum hätte ich daran gedacht! es ist fast, als wäre ich schon einmal dort gewesen, früher mal. viel früher. durch ephesos bin ich gestapft mit schlafwandlerischer sicherheit, die erklärungen habe ich gar nicht gewollt, ich habe mich bestens ausgekannt. von ferne hörte ich die sprechgesänge der menge im großen amphitheater zu ehren der artemis. stundenlang. das theater dort ist groß, die akustik ist selbst in der ruine noch gigantisch. stellt euch ein steinernes halbrundes stadion vor, gefüllt bis auf den letzten platz. unfassbar.

eine der artemis zugesprochenen pflanzen übrigens - artemesia vulgaris (beifuß) – gilt als besonders wohltuend in den wechseljahren: artemisia regt die hypophyse an, wirkt krampflösend, kreislauffördernd und wird empfohlen als universalentgiftungspflanze für frauen, weil sie die ausscheidung von stoffwechselschlacken über harn, schweiß und menstruationsblut unterstützt.

auch das andere kraut der großen göttin artemis hat in meinem leben lange eine rolle gespielt: artemisia absinthium, die grüne fee. wie oft habe habe ich mir wermut auf die schwermut gekippt, um den schmerz zu lindern und das schreckliche gefühl, nicht gut genug zu sein.

aber das ist lange her. jetzt ist erst einmal die heilende seite von artemis für mich zuständig, für ein ganzes weilchen. das hoffe ich zumindest.


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Donnerstag, 1. April 2010

ich bin dann mal pauschal

kurze maßnahme no. 6: zur dringend wichtigen linderung von chronischen ohrgeräuschen hilft irgendwann nur noch das homöopathische „similia similibus solvuntur“:



meeresrauschen rund um die uhr, immer das sanfte brausen der ägäis in der ohrmuschel. die seele, sobald sie denn nachkommt, ins unendlich blaue baumeln lassen.

bis dahin genieße ich blühende mimosenbäume, einen lauen abendwind und ein opulentes buffet: all inclusive osterferien!

(über das weibliche weltwunder in meiner derzeitigen nähe demnäxt mehr).


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