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Wir sind umgezogen!

Januar 2021

Das Büro für besondere Maßnahmen ist ab sofort erreichbar auf mojour.de

Nach und nach werden alte Beiträge – ggf. aktualisiert und überarbeitet – dorthin umziehen. Bitte folgen ... :-)

Sonntag, 28. Februar 2010

ritual* no 1: sonntagsfrühstück

es hat mal einen menschen gegeben, der hat mir ins gesicht gesagt, dass er mich schrullig findet. irgendwie. das hat mich ein bißchen irritiert.

ein blick in den duden erklärt schrullen als „wunderliche angewohnheiten, marotten, ticks, spleens oder macken“. oder gar: „(oft von älteren menschen) befremdende, meist lächerlich wirkende angewohnheiten“.


ähem. bin ich ein ‚älterer mensch‘? das ist relativ und kommt auf die bezugsperson an. klar, ich bin älter als meine jüngere schwester und noch ne ganze menge anderer leute. aber das war schon immer so. trotzdem hätte ich mich als zweijährige sicher nicht als ‚älterer mensch‘ bezeichnet. vielleicht ist man ein älterer mensch, wenn man älter ist als die hälfte der bevölkerung?

das weibliche durchschnittsalter in deutschland liegt bei 45,2 jahren. tja. da bin ich jenseits. definitiv. ich muss mich wohl damit abfinden: ich bin eine alternde frau. das kann jeder passieren.

leider habe ich damals nicht weiter nachgefragt, und deshalb ist mir bis heute unklar, was derjenige mit dem prädikat „schrullig“ genau gemeint hat. vielleicht hatte ich angst vor der antwort. wir waren danach auch nicht mehr sehr lange befreundet.

wollte er sagen, dass ich schrullen habe? oder wollte er sagen, dass ich eine schrulle sei? haben oder sein - das ist die frage! auch hier:

schrullen haben, kann nämlich auch bedeuten, dass man „tolle einfälle“ hat, also gute ideen. geht aufs niederdeutsche zurück. dann wäre es ein nettes kompliment gewesen. ich denke jedoch, derjenige war des niederdeutschen nicht mächtig. er war eher niederträchtig.

deswegen befürchte ich fast, er wollte mir unterstellen, dass ich eine schrulle** sei, und das ist nun wiederum etwas ganz gemeines, in männeraugen zumindest: „die bezeichnung für eine ältere, eigensinnige frau mit einer abseits der norm liegenden persönlichkeit und charaktereigenschaften, die im allgemeinen als seltsam oder verwirrt bis leicht verrückt angesehen werden“ - sagt das wikiwörterbuch. madonna!

wenn ich mir diese definition aber mal auf der zunge zergehen lasse, so wort für wort …. dann stelle ich fest, wie sich mir mehr und mehr ein verschmittstes grinsen im gesichte breit macht. dass ich älter bin, hatten wir ja oben schon geklärt. dazu eigensinnig? nicht mainstream? außergewöhnlich, von mir aus auch ‚leicht verrückt‘? na, immer her damit! mit dem größten vergnügen oute ich mich hier als schrullentrulla!

nachdem das also mal raus ist, kann ich jetzt - in verbindung mit meinen schrulligen angewohnheiten – endlich zu meinem eigentlichen sonntagsthema kommen:

was andere vielleicht ‚schrullig‘ nennen, das sind für mich ‚rituale‘. also sachen, die ich immer wieder tue auf immer die gleiche art und weise, und das schon seit vielen vielen jahren. diese dinge geben mir halt im leben, sie strukturieren meinen alltag. deswegen sind sie mir wichtig, lieb und teuer. ich muss nicht jedes mal neu drüber nachdenken, ob ich was wann wie warum mache: ich mach‘s einfach, weil ich‘s so mache.

mein sonntagsfrühstück zum beispiel. das gibt es seit meiner kindheit. es ist vielleicht das einzig schöne, was ich damals hatte und das ich mir in mein erwachsenenleben gerettet habe. sonntags gibt es bei mir "eier mit speck auf toast". fast immer. regelmäßig. toastbrot deshalb, weil die bäckerin damals sonntags noch nicht geöffnet hatte. frische brötchen gab es bei uns nur samstags. und sonntags eben toastbrot. aus dem altmodischen toaster, der an den seiten klappen hat wie flügel. da steckt man die toastscheiben rein. wo das toastbrot drin anbrennt, wenn man es nicht rechtzeitig wendet und rausholt. das hüpft nicht von alleine.

diesen toaster meiner kindheit besitze ich noch. er funktioniert bestens. sonntag um sonntag. ich habe ihn all die jahre gut gehütet. er war ein hochzeitsgeschenk für die eltern. gute deutsche wertarbeit. aus edelstahl. im oktober wird er ein halbes jahrhundert alt sein. älter als ich.

während der toaster das brot röstet, habe ich die zeit im auge. gleichzeitig schneide ich den mageren speck in feine scheiben, gebraten wird der in butter, weil das so gut duftet. ich habe noch die großmutter im ohr: „kind, du musst den speck in butter braten. damit fängt man männer!“ das schien ja was tolles zu sein. wer jetzt denkt, ich hätte hier einen käfig voller kerle im haus, die sämtlich opfer meiner speckschrulle wurden, irrt: ich habe sie immer wieder freigelassen.

die eier werden gut verkleppert mit einem schluck milch, einer prise zucker und etwas sojasauce. zum schluss noch ein schwapp sprudelwasser: das macht mein rührei fluffig locker. über den knusprigen speck gießen und stocken lassen. pfeffern salzen fertig! wichtig ist eine gute pfanne. auch da bin ich perfekte schrulle: das ei darf weder anbeppen noch schwarz werden.

ich nehme auch immer nur mageren speck. und das, obwohl ich sonst so gut wie kein schweinefleisch esse. "eier mit speck auf toast" ohne speck - das geht einfach nicht. so mit anfang zwanzig war ich mal zum frühstück eingeladen bei jemand anders, das war in basel. da gab es ebenfalls eier mit speck, oh wunder! der mann kam auch aus dem rheinland. wir haben sehr darüber gelacht, über unser beider traditionelles früchstücksei. der hat aber keinen mageren speck benutzt, sondern fetten. da war klar: der kommt aus düsseldorf.

dazu habe ich dann gerne einen frischen orangensaft oder einen becher darjeeling. und eines der brandenburgischen konzerte von bach. seit ungefähr dreißig jahren. fast jeden sonntag.

böse zungen könnten jetzt von ‚zwangsneurose‘ reden. sollen sie ruhig, wenn die das brauchen. aber wehe, es sagt noch mal eineR „junge frau“ zu mir, und sei es auch nur aus versehen – dem werde ich zeigen, was ne schrulle is‘! ab sofort bin ich nur noch „gnädige frau“ - wenn schon "älter", dann aber auch richtig!


* rituale sind ganz spezielle besondere maßnahmen
** schrulle ist feminin. hat wer ne ahnung oder eine idee, wie das männliche gegenstück heißen könnte?
wenn wir es analog zu macke - macker bilden, vielleicht schruller?


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Mittwoch, 24. Februar 2010

kurze maßnahme no. 2: rosenhoffnung

es gibt ja so tage im leben, da passieren kleine wunder. oft sind das diese seltsamen koinzidenzen von scheinbar ganz unscheinbaren dingen, die mir eine große freude bereiten und - ja, wer weiß?! - mir sogar ein glücksgefühl bescheren können:


der schnee ist endlich weg, meine rosen draußen öffnen schon die augen. ein guter tag also, um mit der pflege zu beginnen und vorab ein bißchen was gegen den im sommer regelmäßig auftretenden pilzbefall zu unternehmen.

wie ich so mit der – bienchenungiftigen, versteht sich! - spritzbrühe hantiere (wobei ich sehr darauf achten muss, nicht gegen die ständig wechselnde windrichtung zu arbeiten), zupft louise odier mich mit ihren stacheln am ärmel und grinst mich an: sie hat – schneller als alle anderen! - ihr erstes blättchen entfaltet.

frech, keck und unerschrocken ob der fröste, die vielleicht noch kommen könnten: ich liebe sie! „ja, ich will,“ flüstert sie im vorfrühlingshauch, „bald wieder blühen, auf deinem schreibtisch verduften, dir beim wannenbad gesellschaft leisten und deine rosigste freundin sein.“

ich bin noch ganz gerührt von soviel rosenglück, mag mich kaum von louise auf dem garagendach verabschieden. zwischendurch fängt es an zu regnen, die sonne steht schon fast waagerecht überm tal, und wie ich mich umdrehe sehe ich das da:


so ist das also. es gibt zeiten, da wohne ich fast am fuße des regenbogens. auf jeden fall weiß ich wo er anfängt, und auch das ende ist gar nicht weit weg!


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Samstag, 20. Februar 2010

stolz & demut

zwei aspekte, die sich wie rote fäden durch mein leben ziehen, über die ich mir immer wieder gedanken mache, sind stolz und demut. unter anderem frage ich mich, ob stolz nun ein gefühl sei, oder eher eine lebenseinstellung? und demut? ist das auch ein gefühl - oder eine attitüde?



wie komm‘ ich drauf? zunächst die demut:

die begegnete mir in den selbsthilfegruppen für trockene alkoholikerinnen, schon während meiner entgiftung im krankenhaus vor mehr als zehn jahren: „du musst demut lernen“ hieß es da. oder „du musst demütig sein – dankbar dafür, dass du noch lebst und den absprung vom alkohol geschafft hast.“
diese sätze haben in mir viel widerstand geweckt (zunächst einmal, weil ich einen satz, der anfängt mit den worten 'du musst' weder ernst nehmen noch befolgen kann – aber darum geht es hier nicht ....):

„dankbar soll ich sein? für was denn? und wem überhaupt? für den ganzen scheiß in meinem leben? wenn ich irgend etwas zu wege gebracht hatte – trotz allem -, dann habe ich das MIR zu verdanken und niemandem sonst. ich und demütig? da träumt ihr von! nicht mit mir!“

meiner damaligen einstellung lag unter anderem zugrunde, dass mir der begriff der 'demut' aus dem christlichen wortgebrauch sehr suspekt war. dort wird er – meinem verständnis nach - gleichgesetzt mit 'unterwürfig': alles kritiklos hinnehmen – ganz egal ob gut oder schlecht, ohne sich gegen ungerechtigkeiten wehren zu dürfen. kurz: den dreck auch noch schlucken, mit dem die anderen mich bewerfen.

oder auch: dankbar sein für die erste ohrfeige links und ‚demütig‘ auch noch die andere wange hinhalten. nee danke. das war ganz sicher nicht meines!

ähnlich - wenn auch umgekehrt – verhält es sich mit dem stolz:

stolz gilt als eine der sieben christlichen todsünden: „nicht wie die stolze rosa neinnein sei nicht!“ das war mir ganz und gar verboten und ab-erzogen worden. ich durfte mich nicht schön finden. ich durfte nicht stolz sein. weder auf schrägen gesang noch auf gute noten – das war alles nur zufall, mir zugeflogenes talent.

stolz sein – das war gleichgesetzt mit hochmut, ist arrogant und unausstehlich (der 'erfolg' dieser brutalen erziehung war, dass ich null selbstwertgefühl entwickeln konnte und bis heute hart daran arbeite, das nachzuholen).

stolz durfte ich nicht sein, obwohl ich gern gewesen wäre – denn ich habe eine menge zeug gut hingekriegt. demütig sollte ich sein, wollte ich aber nicht, weil ich es nicht logisch finde, mich für qualen auch noch bedanken zu müssen.

ich weiß nicht, ob das eine typisch deutsche angelegenheit ist, die worte stolz und demut so negativ zu besetzen, ob es vielleicht auch eher katholisch oder evangelisch oder allgemein christlich ist. sicher ist jedoch, dass ich mich damit sehr unwohl fühlte und eingeengt.

schließlich gehören – nach meinem dafürhalten – sowohl stolz als auch demut zu den gefühlen. gefühle aber sind doch informationen der seele, so neutral wie nachrichten und deswegen jenseits jeglicher wertung: ein gefühl kann niemals wahr sein oder falsch. es ist da, oder es ist nicht da. bestenfalls kann es angenehm sein oder unangenehm. so sehe ich das.

irgendwo las ich dann – ich glaube, es war bei louise hay – dass demut im eigentlichen, ursprünglichen sinne des wortes nicht das kritiklose hinnehmen von unabänderlichen ungeheuerlichkeiten bedeutet, sondern eine tiefe dankbarkeit für alles, was der kosmos für uns bereit hält im leben. das kam mir schon näher, und ich konnte mich ein bißchen mehr anfreunden mit der aufforderung in den selbsthilfegruppen: 'lerne demut!'

neuer aspekt:
im zweiten jahr meiner abstinenz begann ich, flamencotanz zu lernen. eine offenbarung für mich: getanzte gefühle – freude und leid und ärger und trauer und einsamkeit und heiterkeit mit den füßen, mit dem ganzen körper zum ausdruck bringen dürfen!

ich konnte es kaum fassen, dieser tanz bedeutet expression pur – welch ein glück für mich! meine flamencolehrerin, gitana la chumbera*, war es, die mich wieder mit stolz und demut in berührung brachte.

sie erzählte uns mit leuchtend schwarzen augen vom stolz der zigeuner und wie wichtig er sei als grundlage des flamenco. ich konnte es kaum glauben! der verbotene stolz eine unverzichtbare basis?! sie erklärte es genauer:
„die guten tänzer sind stolz, dass sie tanzen können, dass sie das talent haben, dass es ihnen gelingt, ihre gefühle mit dem körper perfekt zum ausdruck zu bringen und ihr publikum damit zu verzaubern.“

„das sieht so aus“ sagte sie und stand ganz gerade vor mir - so, wie wir auch vor dem spiegel stehen, so wie wir tanzen: aufrecht, geradeaus, straight, mit geradem, offenem blick. so, wie auch ein yogi den 'berg' steht. gerade, seiner selbst bewußt.

„sich seiner selbst bewußt sein mit jeder zelle des körpers, das ist stolz“ sagte sie uns und erklärte weiter: „viele verwechseln stolz mit arroganz. aber arroganz ist etwas ganz anderes. arroganz ist, wenn man denkt, man könne etwas besser als andere und deswegen die anderen abwertet und auf sie hinab sieht. so – seht ihr?!“ hob dazu ihre nasenspitze nur zwei millimeter höher und sah auf uns herab.

„das sieht man manchmal bei tänzern, die auch ganz gut sind und sich deswegen für etwas besseres halten. aber das ist kein flamenco!“

ich sah sie fragend an. das leuchtete mir ein. es kam noch besser!

„die wirklich guten tänzer aber, die sind auch stolz, aber sie sind nicht arrogant. sie haben demut!“ sagte sie und senkte ihre nasenspitze einen tick nach unten. sie beugte nur den kopf ein wenig und blieb ansonsten genau so gerade und aufrecht stehen wie zuvor im stolz, sie machte keinen buckel: „DAS ist demut, meine damen! wir sind uns unserer selbst bewußt, wir wissen was wir können - und wir sind zutiefst dankbar dafür, dass wir es können! das ist flamenco.“

ich verstand. und war unendlich dankbar für diese erklärung. diese art von demut, in verbindung mit stolz (im sinne von wissen um das eigene können und mir meiner selbst-bewusst-sein) - die entsprach mir ganz und gar!

die flamencolehrerin setzte noch einen drauf: „nur um es ganz deutlich zu machen: viele von uns verstehen die demut falsch und denken, dass der stolz verboten sei. der stolz aber ist eine bedingung für die demut! wahre demut ist ohne echten stolz nicht möglich. denn das sähe dann so aus -“: sie verlor ihr rückgrat, sie fiel in sich zusammen, bekam einen buckel und schaute uns an von unten nach oben:

„DAS wäre nicht demut, sondern unterwürfigkeit! und die können wir im flamenco nicht brauchen. und sonst im leben auch nicht!“

ich habe leider keine bilder von ihrer eindrucksvollen vorstellung in sachen selbst-wert-gefühl und hoffe, ich habe euch das plastisch so beschreiben können, dass verständlich wird, was ich meine. jedenfalls war und ist es für mich ein großes geschenk, dass ich meinen stolz zurück habe. und auch für den ganzen rest kann ich nun – ganz demütig! - dankbar sein.

diese – für mich damals neue – art der demut und der seither nicht nur endlich erlaubte, sondern zwingend notwendige stolz haben meinem leben eine ganz andere qualität gegeben; es ist eine neue nuance dazu gekommen, die es mir leichter macht, die zu werden und zu sein, die ich bin.

stolz und demut haben für mich auch sehr viel mit nüchternheit zu tun, mit realistisch sein: mit klar sehen können - was ist, was ich bin, was ich kann – und was nicht. und das geht nun einmal nur, wenn ich auch einen klaren kopf habe.

ach, um noch meine eingangsfrage zu beantworten:
stolz und demut sind für mich beides: sowohl gefühle – als auch lebenseinstellung. und zwar eine sehr lebensbejahende!

* la chumbera, das ist spanisch und bedeutet ‚kaktusblüte‘. die kaktusblüte ist für mein leben auch aus anderen gründen sehr wichtig geworden. meine flamenco-chumbera aber, die hat heute geburtstag – und ich grüße sie hiermit herzlich!


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Sonntag, 14. Februar 2010

goldene maßnahme no 1

als ich das „büro für besondere maßnahmen“ im juli vergangenen jahres eröffnete, tat ich dies in der absicht, mir ein eigenes kleines forum zu schaffen für die vielen krausen geschichten und gedanken, die mir aus dem kopf purzeln, wenn ich ihn nicht ausquetsche wie eine zitrone, sondern einfach mal gucke, was da so kommt; wenn ich mir die zeit nehme und texte so schreibe, wie andere leute fahrrad fahren: einfach aus spaß an der (inneren) bewegung und ohne jeglichen ehrgeiz, dass dabei jemals etwas vorzeigbares herauskommen müsse.

die möglichkeit, dass mein büro für besondere maßnahmen nicht nur produziert und (her-)ausgibt, sondern dass auch etwas hereinkommen könnte, daran habe ich damals nicht im entferntesten gedacht. das ist dann einfach passiert!

da habe ich gelernt, dass es im internet sein kann wie überall im leben: ich bewege mich, gebe einen impuls, stupfe das mobile an – das ganze bewegt sich, kommt in einem neuen gleichgewicht zur ruhe. meine kleine welt ändert sich, und auch ich sortiere mich neu.

so stelle ich fest: mein output kommt hier und da an, ohne dass ich ‚everybody‘s darling‘ sein muss. es kommen rückmeldungen, rückhalt und unterstützung. ich begegne neuen menschen, meinungen, seinsweisen. digital und in echt. es wachsen (ver-)bindungen in alle welten, die ohne dieses weblog gar nicht hätten entstehen können. das ist inter-net. das ist untereinander vernetzt. ich bin verblüfft. ich bin entzückt!

ich schreibe nicht nur, sondern ich schau auch zu, was andere machen. ohne werten zu müssen, ohne kopieren zu wollen. einfach: erst mal gucken, was und wie die das machen - dann mal sehen! und siehe da: „aha! so kann es also auch gehen. darauf war ich allein noch gar nicht gekommen.“ das ist spannend!

hin und wieder stolpere ich bei meinen virtuellen streifzügen durchs WeltWeiteWeibernetz über echte kronjuwelen. die berühren mein herz, die helfen mir weiter, die begleiten meinen lebensweg. die tun mir gut, die machen mich manchmal sogar glücklich. denen möchte ich gerne danke sagen.

deswegen habe ich eine ganz besondere maßnahme erfunden: die goldene!

was mache ich jetzt damit? werde ich meine goldene maßnahme verleihen? anordnen? durchführen? soll ich goldene maßnahmen treffen, ergreifen oder verschenken?

nix da. keine bedingungen! die goldene maßnahme gibt es ab sofort in unregelmäßigen abständen. wie ich sie vergebe, entscheide ich jedes mal aufs neue. spontan und subjektiv. ich bin jury, ich bestimme adressatin und zeitpunkt. ich halte die laudatio. oder auch nicht. je nach dem ….

so. jetzt aber endlich …. das büro für besondere maßnahmen proudly presents …. tataaaa ….. trommelwirbel …. große fanfare …. tuschschsch

hier ist die goldene maßnahme no. 1 ….



für nathalie bromberger und ihr begabung/blog!

von nathalie habe ich so viel gelernt über intelligenz, über hochbegabung und so vieles, was damit zusammenhängt, dass ich mir selbst ein großes, ein sehr großes stück näher gekommen bin. ganz oft, wenn ich ihre texte lese, dann fließen tränen der erleichterung und hören gar nicht mehr auf, weil so viel alter schmerz noch da ist und weggespült sein will: endlich einmal schreibt da jemand, wie es mir seit sooo vielen jahren geht – und dass das völlig ‚normal‘ sei, wie ich bin. auch wenn andere das ‚komisch‘ finden oder ‚unheimlich‘.

weil hochbegabung eben nicht nur ein hoher iq ist, sondern noch ganz viele andere facetten hat. eine hohe empfindsamkeit anderer sinne, zum beispiel. das wurde von meinem umfeld aber nie nicht als besondere fähigkeit gesehen, sondern war den anderen eher lästig: „sei doch nicht immer so empfindlich, du zickige mimose!“

oder dass ich ganz ganz viel zeit für mich brauche, in aller ruhe – weil ich oft mehr eindrücke aufnehme als andere von außen und mehr zeit brauche, um all das zu verarbeiten. während andere denken, dass ich „unproduktiv“ sei und nix zustande bringe: „du stiers‘ immer nur löcher in die luft.“ oder „du träumst!“

oder auch, dass ich ganz begeistert tausenderlei zeugs anfange, weil ich neu-gierig bin. und es überhaupt nicht schlimm finde, das irgendwann auch wieder sein zu lassen, ohne damit besonders erfolgreich gewesen sein zu müssen. es interessiert mich einfach nicht mehr. etwas anderes ist plötzlich spannender. dann heißt es gerne mal „du bringst nix zu ende. was man anfängt, muss man auch fertig machen!“ ähem. wieso?! ich muss doch erst einmal etwas kennenlernen dürfen, bevor ich wissen kann, ob ich mich intensiver/länger damit beschäftigen will oder nicht?! außerdem habe ich mich natürlich sehr wohl einigen gesellschaftlichen anforderungen angepasst und durchaus vieles fertig gebracht in meinem leben, das wird dann nur gerne übersehen ….

jedenfalls hatte ich diese alten botschaften „sei eine andere!“ - „du bist nicht gut genug!“ - „du bist immer so …. /du bist zu …. !“ „du bist so kompliziert.“ - „du bist unerträglich. ich halte es mit dir nicht mehr aus!“ sehr verinnerlicht – und habe es immer noch.

irgendwie ist immer krieg in meiner seele, weil so viele menschen von mir woll(t)en, dass ich gegen mich selbst ankämpfe und eine andere bin. das geht natürlich nicht, und das macht mich sehr unglücklich.

von nathalie habe ich nun gelernt, dass einige meiner „eigenarten“, genau so in mir angelegt sind wie meine haarfarbe oder meine schuhgröße. dass ich mir das nicht ‚abgewöhnen‘ kann noch muss – und dass ich das genau so wenig wegtherapieren kann wie die grübchen in meinen wangen. seit dem ich das weiß, kann ich anders damit umgehen. das lässt mich sehr viel friedlicher sein mit mir selbst – und das wiederum empfinde ich als großes geschenk.

das lesen im begabung/blog hat sich erwiesen als goldene maßnahme für mich selbst. und deswegen verschenke ich selbige jetzt an die, die‘s erfunden hat. merci, nathalie!


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Donnerstag, 11. Februar 2010

kurze maßnahme no 1: mo better news

gute nachrichten! folgenden brief fischte ich heute aus meinem postkasten:
.... hiermit bestätigen wir Ihnen die Reservierung eines Einzelzimmers in der Zeit von Ende Juli bis Anfang September 2010 …. Mit freundlichen Grüßen, Ihre Rehaklinik

zur kur. gegen die doofen depressionen. gegen tinnitus und gegen kopfschmerzen. ans meer. sechs wochen. an die ostostsee. im sommer. in der vorlesungsfreien zeit. in die sommerfrische. da kollidiert quasi gar nix. das hatte ich noch nie. ich habe darum gekämpft! das war kein spaziergang. das wird auch nicht nur ein spaziergang, aber ein spaziergang wird es auch. alles wird gut.




wo ist mein lippenstift?! ich mach‘ mich diva und freu' mir löcher in den bauch!


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Mittwoch, 10. Februar 2010

besondere maßnahme no VIII – haarsträubende haarausreißerei

wenn eine sich aufmacht, ein weblog zu schreiben, dann können die merkwürdigsten dinge passieren.


neulich vor ein paar wochen flatterte mir eine email auf die festplatte, von jener firma, deren geschichte vor fast achtzig jahren in kronberg im taunus begann - als apparatebauwerkstatt für elektrische haushaltsgeräte:

du schreibst in deinem Blog über die wichtigen Dinge im Leben einer Frau. Körperpflege gehört ja mit Sicherheit dazu. … Der nächste Sommer kommt gewiss und dann sind gepflegte Beine wieder ein Muss.... Deshalb haben wir für das "Büro für besondere Maßnahmen" ein besonderes Maßnahmen-Angebot: Hast du Lust den neuen Epilierer "Silk-épil Xpressive Wet&dry" aus dem Hause Braun zu testen? Wir möchten dich herzlich einladen, das Gerät auszuprobieren....

mein erster gedanke war: ist das ein witz?!

mein zweiter gedanke: die haben mich falsch verstanden. ich schreibe doch nicht über so‘n körperpflege- und kosmetikzeugs. wie kommen die dazu, mir vorzuschreiben, was zu den wirklich wichtigen dingen im leben einer frau gehört? für wen sind gepflegte beine ein MUSS? und wenn überhaupt, wieso dann nur im sommer? unterstellen die mir, dass ich im winter verlottere?!

mein dritter gedanke: die fahren eine geniale marketingstrategie, wenn sie nominierte weiberblogs als werbeträgerinnen rekrutieren – respekt!

meine gedanken no vier, fünf, sechs und sieben galten all meinen elektrogeräten von eben diesem hersteller, die mich zum teil schon seit jahrzehnten begleiten und längst teil meines alltags geworden sind: der verständnisvolle wecker, der auf zuruf verstummt; der haar- und tinnitusfreundliche flüster-fön; die zahnbürste, die so schön brummt und kribbelt und – mein olles epiliergerät!

mein achter gedanke: ein neues epiliergerät wäre schick. darf ich so korrupt sein?

dann habe ich aufgehört zu denken, auf den antwortebutton geklickt und nach den konditionen gefragt.

ihr habt richtig gelesen. epiliergerät. kreish! meterweise feministische literatur, die nicht nur im regal gesammelt sondern tatsächlich gelesen ist, jahrzehntelange lektüre von emma, deren redaktion in meiner schulmädchenzeit ja quasi um die ecke war von da wo ich wohnte, nächtelange diskussionen in der frauen-WG im berlin der achtziger jahre, in denen wir qualmten und soffen wie die kerle – es hat alles nichts genutzt:

ich verschwende einen nicht unerheblichen teil meiner kostbaren kognitiven, emotionalen, kreativen, zeitlichen und finanziellen ressourcen darauf, mein äußeres optisch den gesellschaftlichen gepflogenheiten und dem derzeit geltenden weiblichen schönheitsideal anzupassen. kurz: ich würde eher ohne unterhose aus dem haus gehen als ohne lippenstift.

einmal im monat kümmere ich mich auch um meine körperbehaarung und andere hornige auswüchse. einen guten rhythmus gibt mir der mond. da heißt es in den gängigen mondkalendern u.a., dass die tage, an denen der mond das sternzeichen steinbock durchwandert, besonders günstig seien für die intensive pflege der fuß- und fingernägel.

nimmt der mond dann gerade zu, wachsen sie schnell und fest wieder nach. angeblich. nimmt er ab, wachsen sie nicht so schnell nach, aber dafür gerade. angeblich. der abnehmende mond im steinbock eignet sich daher auch besonders für das entfernen von hornhaut und von körperhaaren, die frau auf dauer loswerden will. angeblich.

ob das stimmt, weiß ich nicht. aber es schadet nicht, wenn ich mich an diesen rhythmus halte und mein sonst so zerrissenes leben hier und da mit einem kleinen ritual etwas stabilisiere.

der abnehmende mond im steinbock, das ist heute, und deswegen steht in meinem filofax bei den tagesaufgaben ein mehr oder weniger kryptisches „haare weg“. ich weiß, was gemeint ist. das volle programm:

augenbrauen zupfen, die drei goldenen barthaare ausreißen, das eine haar auf der warze neben der rechten nasolabialfalte kurz schneiden, die achseln rasieren, bikinizone kritisch beäugen und die haare auf den schienbeinen entfernen.

und während ich das alles so mach‘, frage ich mich, wer denn eigentlich diese seltsamen haarigen regeln aufgestellt hat und wozu das alles gut sein soll. schönheitsideale sind sooo willkürlich!

hat schon mal eine von euch von irgendeiner kultur gehört, in der männer dazu angehalten werden, sich unter größten schmerzen und gefahren für die gesundheit ihrer körperbehaarung zu entledigen, einmal abgesehen von der unabdingbaren bartrasur?

mein bester schwuler freund würde sagen: mann mit bart ist sowieso OB doppelzehn. mit OB meint er nicht den baumwollstöpfel für die mens. männer unter sich sprechen von OB als OrgasmusBremse, auf einer skala von eins bis zehn. zehn wird getoppt von doppelzehn. OB doppelzehn geht also gar nicht. genau. mann mit bart geht gar nicht, das ist auch meine persönliche OB doppelzehn, da bin ich total tote hose. männerhaare gehören auf und nicht unter den kopf.

aber müssen männer sich die achselhaare rasieren? die badehosenzone epilieren? die brust enthaaren? nein. wozu auch?

wem nützt es, wenn ich die augenbrauen ‚in form‘ bringe und so lange daran herumzupfe, bis es aussieht, als ob ich ständig erstaunt sei und immer nur bewundernd-ehrfürchtig mit weit nach oben gezogenen brauen von ganz tief unten (zu den herren der schöpfung) aufschaue? widerspruchslos, versteht sich.

warum schminke ich mir die augen groß und ausdrucksvoll, bis sie dem harm- und hilflosen kindchenschema entsprechen, von dem manche männer sich so gerne anhimmeln lassen?

der damenbart ist ohnehin eine lachnummer: denn so eine hat auch haare auf den zähnen und kriegt sowieso keinen mann ab. also lieber bart ab. da ziehe ich mit den männern gleich.

warum mag ich meinen eigenen geruch nicht, rasiere mir die achselhaare und übertünche die reste von schweiß mit deo? okay – rasieren, das geht so gerade noch. aber epilieren? direkt an den lymphknoten und all den empfindlichen nervenbahnen? das halte ich nicht für gesund.

die bikinizone oder gar die scham enthaaren? obwohl da die haut so wunderbar empfindsam und empfänglich ist für wohl- und schandtaten? warum um alles in der welt soll ich mich da selbst verletzen? weil männer lieber nackte kindermösen vögeln? weil sie angst haben vor ‚echten‘ frauen? ich weiß es nicht. ich weiß nur, dass dieser 'haarfreie trend' sich in den letzten ein, zwei jahrzehnten sehr verstärkt hat.

auch weibliche schienbeine sollen haarmakellos glatt sein. warum?! ganz sicher nicht nur, damit sie aus dünnen nylonstrümpfen nicht so stachlig hervorstechen und - igitte! - böse laufmaschen verursachen. stellt euch mal vor, wir lebten in einer kultur, in der wir für viele und starke bein- und sonstewohaare bewundert würden! hach was wäre das schön, komplimente zu hören wie „du bist echt ne starke frau mit deinem schienbeinpelz“ oder „deine haarigen waden sind sooo sexy!“

in so einer kultur leben wir aber nicht. deswegen zupfe ich mir einmal im monat ein paar der derzeit nicht akzeptierten härchen aus. auf den schienbeinen. das gerät, das die liebe britta von braun mir zum ausprobieren geschickt hat, taugt dafür bestens. als neuzeitliches frauenfoltergerät an den anderen stellen taugt es leider auch. ich bedanke mich artig.


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Samstag, 6. Februar 2010

intelligenzbestie

„do bess ene intelijenzbestije!“ noch heute höre ich die mutter fauchen, wenn ich mit unschlagbarer logik eines ihrer fadenscheinigen argumente widerlegt oder ihre autoritären anweisungen blitzgescheit als pädagogisch wertlos entlarvt hatte.



sie war sauer auf mich. meine intelligenz passte ihr nicht ins konzept. intelligent sein bedeutete für mich, nicht liebenswert sein. die mutter empfand meine klugheit als bedrohung. bei mir zu hause war das so. also wurde ich dafür geschimpft. oder man machte sich darüber lustig. die unterschwellige botschaft war: „sei eine andere!“ genauso hätte sie von mir verlangen können, nicht immer so grüne augen zu haben, sondern besser blaue.

schrieb ich mit meiner intelligenzbestie hingegen gute noten in der schule, dann war ihr das ganz recht. nicht, dass der inhalt meiner klassenarbeiten sie irgendwie interessiert hätte. aber dann konnte sie sich brüsten vor ihren freundinnen, weil sie so eine schlaue tochter hatte: „die intelligenz hat sie natürlich von mir.“

die mutter lebte das, was ich einen ‚verlängerten narzissmus‘ nenne. sie fühlt sich nur dann als ‚gute mutter‘ wenn ihre tochter erfolgreich ist. es ist, als hätte sie kein eigenes selbstwertgefühl. wenn es mir nicht gut geht, dann geht es ihr schlecht. was dann früher öfter mal dazu geführt hat, dass – wenn ich ihr am telefon von einem meiner (geringeren) probleme erzählte - sie laut seufzte und anfing zu weinen. was dann wiederum mich in die schreckliche situation brachte, nicht nur mit meinem eigenen problem fertig zu werden, sondern auch noch die mutter zu trösten, dass ich überhaupt ein problem hatte.

irgendwann habe ich aufgehört, ihr irgend etwas für mich wirklich wichtiges von mir zu erzählen.

erzählt habe ich dann nur noch erfolgserlebnisse, da konnte sie was mit anfangen. damit brüstete sie sich wiederum vor ihren freundinnen und fühlte sich wohl, weil sie sich für eine gute mutter halten konnte, die eine erfolgreiche tochter produziert hat.

leider übersah sie dabei völlig, dass – trotz meiner ‚intelligenz‘ ich auch immer viel zeit mit lernen und experimentieren und lesen und neugierig alles mögliche herausfinden verbrachte. sehr viel zeit, um genau zu sein. statt dessen berichtete die mutter ihrem entzückenden damenkränzchen entzückt, dass mir ja immer alles zuflöge und unglaublich leicht fiele.

mich hat sie übrigens nie gelobt für meine guten noten. statt dessen gab es einen zuverdienst zum mageren taschengeld: zwei mark für eine eins, eine mark für eine zwei und fünfzig pfennig für eine drei lagen wortlos auf dem küchentisch neben dem von der erziehungsberechtigen unterschriebenen klassenarbeitsheft.

im allgemeinen lagen bei mir ein- und zwei-markstücke. das mit den silberlingen hatten sie nur eingeführt, damit die schwester - die mit ihren noten weniger glück hatte als ich - nicht völlig verarmte. als ich einmal eine zwei-minus nach hause brachte – das war ein ausrutscher in latein - hieß es „das ist doch nicht so schlimm.“

meine guten noten hielt ich tatsächlich immer nur für glück. nie war ich mir der qualität meiner leistung sicher. wie sollte ich auch. die mutter war ja davon überzeugt, dass mir immer alles ‚zuflog‘. niemals war eine eins in mathe das resultat meiner guten vorbereitung. was also, wenn das zufällige talent einfach mal zufällig an mir vorbeiflöge? ich verbrachte nächtelange alpträume damit, eine fünf oder sechs nach der anderen zu schreiben und war jedes mal aufs neue überrascht über eine gute note im richtigen leben. gleichzeitig fühlte ich mich wie eine betrügerin, die eine solche gar nicht verdient hatte.

für die guten leistungen wurde ich zwar in der schule durchaus gelobt – das war dann allerdings eine eher ambivalente angelegenheit. ich wurde mehrmals zur klassensprecherin gewählt mit der begründung, dass ich es mir schließlich leisten könne, auch mal kritik zu üben, weil die lehrerinnen mich wegen meiner guten noten mochten und mich nicht sitzenbleiben lassen konnten, weil ich dafür zu gut war.

klassensprecherin sein war ein undankbarer job. ich mochte das nicht. wegen meiner guten noten war ich auch immer eine beliebte nachbarin in klassenarbeiten oder zum abschreiben der hausaufgaben vor der stunde.

freundinnen hatte ich hingegen wenige. den klassenkameradinnen waren meine guten noten suspekt. ich war nicht nur praktische intelligenzbestie zum abschreiben und um der strengen klassenlehrerin mal die meinung zu sagen, sondern gleichzeitig auch mit dem label ‚streberin‘ versehen. zwangsläufig. denn wer gute noten hat, muss ja streberin sein. das tat weh. ich versuchte, absichtlich fehler einzubauen. das schadete meinen gesamtnoten nicht. statt dessen waren diejenigen sauer, die dann versehentlich die fehler von mir abschrieben. sie fühlten sich von mir hereingelegt.

irgendwann mit fünfzehn oder sechzehn wollte ich wissen, was tatsächlich dran war an den sticheleien. denn ich schämte mich für meine guten noten. ich machte einen langen, komplizierten intelligenztest. heimlich. mit einem buch, das ich mir aus der psychologieabteilung der stadtbücherei ausgeliehen hatte. ich hielt mich genau an die anweisungen. mit stoppuhr. schummelte nicht. nahm mir eher weniger zeit, als erlaubt war zum lösen der aufgaben. 136. intelligenzbestie. tatsächlich.


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vor gut zwei jahren wollte ich es noch einmal ganz genau wissen: war mein testergebnis von damals richtig? immerhin lag mein sicher stümperhafter selbsttest schon mehr als 30 jahre zurück. nimmt die intelligenz mit dem alter ab? in den wechseljahren? oder hatte ich mir gar den einen oder anderen bunten punkt in der zwischenzeit versoffen? erholt sich das gehirn bei längerer abstinenz?

also machte ich einen ‚offiziellen‘ intelligenztest. beim club der superschlauen. mein ergebnis lag ein stück über dem von damals: hochbegabt. mein krauser kopf ist bestens mensatauglich.

hilft es mir, das zu wissen? schwer zu sagen. dieses ergebnis beantwortet noch lange nicht all meine fragen. aber es erklärt ein bißchen, warum mir zum beispiel das lernen von sprachen nicht nur spaß macht, sondern auch immer sehr leicht fiel.

ob ich jetzt eingebildet werde und arrogant? klar. im sinne von ‚selbst-bewusst-sein‘, weil ich mir meiner selbst und meiner fähigkeiten noch ein bißchen mehr bewusst bin.

stolz drauf? nicht wirklich. intelligenz ist eine anlage, wie grüne oder blaue augen. ich kann es nicht ändern, und ich kann es auch nicht einfach abstellen. obwohl ich das manchmal sehr gerne möchte. das denken abstellen. zur erholung des kopfes. auf einem iq von 84 gemütlich dahindümpeln. hang loose.

es ist wie es ist. es ist nicht immer nur gut, nicht immer nur schön, nicht immer nur ein vorteil, erst recht nicht für eine frau. auch eine garantie für erfolg im leben ist ein hoher IQ ganz sicher nicht. dazu ein ander mal mehr.


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