Achtung. Achtung. Achtung.
Wir sind umgezogen!

Januar 2021

Das Büro für besondere Maßnahmen ist ab sofort erreichbar auf mojour.de

Nach und nach werden alte Beiträge – ggf. aktualisiert und überarbeitet – dorthin umziehen. Bitte folgen ... :-)

Sonntag, 30. Januar 2011

gegangen

sie war mir nicht einmal besonders nah. räumlich.
wir haben ein paar urlaubswochen miteinander verbracht.
mehrmals. ein paar jahre her.


täglich waren wir umeinander.
wir haben viel gelacht.
wir haben dieselben katzen gekrault.
von herz zu herz gesehen.

ich war ihr gast.
sie: die seele des hauses.
älter als ich.
aber nicht alt genug, um meine mutter zu sein.

und doch:
sie war die mutter
meiner sonnigen zeiten.

wie ich das kristallklare meer liebe -
das nie wütend wurde.
so habe ich sie geliebt -
die manchmal sehr wohl wütend wurde.

athanasía - die unsterbliche.
jetzt ist sie fort.
ich fasse es nicht.


todesnachrichten
kommen heutzutage per email.

in meinem herzen
ein loch.


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Freitag, 21. Januar 2011

auf linie

um nicht völlig in der winterdepression zu versinken, bemühe ich mich, jeden tag mindestens eine halbe stunde vor die tür zu gehen. in die weinberge. das kostet kein geld. das ist wichtig.


das schwierige ist nicht das spazierengehen. ich laufe sehr gerne. das schwierige ist die einsamkeit. wenn eine den ganzen tag allein ist, sich selbst zum gedankengang allein vor die tür schickt, alleine draußen durch die reben stapft und auch beim nachhausekommen niemandem erzählen kann, was sie gesehen hat, was sie gedacht hat – das ist .... folter.

ich stecke mir den mp3 ins ohr. ich höre musik oder ein buch. es bleibt einsam. rebstockreihe auf und rebstockreihe ab kullern die tränen. all die jahre schon.

das andere schwierige ist die eintönigkeit, reihe um reihe. das gleichförmige, das im winter umso deutlicher wird, wenn auch das letzte bißchen grün vom schnee verschluckt wird, alles nur noch schwarz und weiß scheint: landwirtschaftliche einöde. in alle richtungen.

da stehen sie in reih und glied, die rebstöcke. gezüchtet auf höchsten ertrag, beste klimatauglichkeit. neuerdings werden neue rebenreihen mit größerem abstand gepflanzt. weil immer weniger von hand geerntet wird. nicht mehr menschen mit eimern und kleine weinbergs-trecker müssen durchpassen, sondern große laute weinbeerengefräßige erntemaschinen.

ich stapfe durch die reben. manchmal schnüre ich wie eine katze meine spuren auf eine imaginäre perlenkette. das immergleiche auf und ab langweilt mich. die reben wachsen an langen drähten. ausrutscher nach rechts oder links sind nicht vorgesehen. trotzdem fällt es mir schwer, ganz gerade linien zu laufen. die gleichförmige landschaft fessselt nicht meinen geist, erlaubt den gedanken das wandern.


aus den rebstockreihen im immer gleichen abstand werden linien im immergleichen abstand. der weiße schnee wird zu weißem papier. nicht meine schuhe hinterlassen spuren, sondern ich sehe meine hand die linien füllen, mit tinte. lustig hüpfende, schnörkelige buchstabenreihen. auch beim schreiben fällt es mir schwer, eine gerade linie zu verfolgen.

plötzlich sehe ich mich wieder in der schule, fünfte oder sechste klasse. die strenge deutschlehrerin. sie hatte immer etwas zu mäkeln, immer etwas zu kritisieren. weder meine aufsätze noch meine diktate waren ihr gut genug.

sie hielt an strengen vorgaben und formalien fest, die exakt zu kopieren ich nicht in der lage war. sie war eine sehr deutsche deutschlehrerin.

einmal hat sie mich vor der ganzen klasse runtergeputzt. weil ich meinen text nicht genau auf den linien geschrieben hatte. sie fauchte, dass sie es ja noch verstehen könne, wenn die schrift nicht immer genau an der linie bleibt und man die feder manchmal ein bißchen höher ansetzt. wie es aber sein könne, dass ich mit dem füller "ständig" unter die linie rutsche, das sei ihr völlig unverständlich.

wir sehen: schon als kind war ich nicht linientreu.

nachdem wir das geklärt hätten, wird mir der nächste rebengang leichter fallen.


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Sonntag, 9. Januar 2011

sparsam

es hat mir mal jemand auf den kopf zu gesagt, dass er mich für zwangsneurotisch halte. ich habe dem nicht widersprochen. ganz sicher habe ich den ein oder anderen flitz. ich bin halt eine flitzpiepe.


da gibt es zum beispiel dinge, da kann ich bis aufs blut sparsam sein. obwohl da nicht mal pfennigbeträge bei rumkommen. bleistifte zum beispiel. die spitze ich bis zum bitteren ende.

einen bleistift darf ich erst wegwerfen, wenn er kürzer als fünf zentimeter ist. mein altmodischer stifteverlängerer hilft mir dabei, meine bleistiftstummel auch tatsächlich so lange zu benutzen.

bei anderen dingen hingegen kann ich gnadenlos prassen und geld ausgeben, das ich noch nicht einmal besitze. weiß ich, dass ein honorar unterwegs ist, habe ich es manchmal schon drei mal ausgegeben, bevor es überhaupt auf dem konto eintrifft.

deswegen ist mein konto oft im minus. derzeit mal wieder bis zum anschlag des dispokredits. die disposchulden sind nicht schön. aber sie sind mir lieber als schulden bei freundInnen. geld zerstört freundschaften – deswegen leihe ich da nur was, wenn die kontobank nix mehr hergibt und es überhaupt gar nicht anders geht.

in der silvesternacht war ich sehr verzweifelt, weil das arbeitslosengeld nicht pünktlich eingegangen war. in der annahme, dass das amt mal wieder was verschlampt haben könnte* und ich solche angst hatte, am montag die miete und alles andere nicht bezahlen zu können, schrieb ich am sonntag, den 2. januar 2011 eine email an meine dispobank mit der dringenden bitte um die kulanz, die abbuchungsaufträge nicht zurückzuschicken, sondern ausnahmsweise über das dispolimit hinaus abzubuchen, weil ausreichend geld im lauf der woche ganz sicher eingehen würde.

so waren wir schon mehrmals verfahren in den fast neun jahren, die ich dort kundin bin. meine dispobank und ich. man weiß dort, dass ich eine überziehung des dispos nur im großen notfall erbitte und dass man sich auf meine zahlungsankündigungen immer verlassen kann.

ich hatte wirklich große angst. und wut. weil ich mit dem geld gerechnet hatte. silvester nix hatte einkaufen können für das neujahrswochenende. drei tage heulen und zähneknirschen, silvester und dann auch noch zwei neujahrstage hintereinander, weil der erste januar auf einen samstag fiel. und keine linderung in sicht. niemand nicht telefonisch zu erreichen. weder im amt noch auf der bank.

am montag, den dritten, setzte ich mich in der früh gleich mit dem ersten milchkaffee ans onlinebanking und siehe da: mein geld war da. große erleichterung. miete bezahlt. uff.

eine stunde später klingelte das telefon: eine mir unbekannte frau sparstrumpf von meiner dispobank badisch süd-west. ich war noch ganz in meiner erleichterungsfreude, bedankte mich für den anruf und sagte, dass ich schon online gesehen hätte, dass das geld eingegangen und somit alles in ordnung sei.

frau spartrumpf aber machte überhaupt keine anstalten, sich mit mir mitzufreuen. auf meine nachfrage hin entpuppte sie sich als die mir noch unbekannte "neue" zweigestellenleiterin (die sie seit drei jahren ist). streng belehrend und von oben herab quäkte sie, dass ein dispokredit ja nur vorübergehend bei engpässen zur verfügung stünde und wie denn meine pläne seien, selbigen alsbald wieder zurückzuzahlen.

ich war völlig platt und überfahren. meine finanzielle situation ist seit fast zehn jahren unverändert. mal mehr, mal weniger im dispo. wenn geld kommt, zahle ich ab. ansonsten zahle ich zinsen und gebühren.

frau sparstumpf nörgelte weiter, dass mir ein dispokredit bei so ungeregeltem einkommen gar nicht zustünde und dass - wenn ich wie derzeit arbeitslosengeld erhielte - sie mein konto ja gar nicht pfänden könnte. in solch einer lage würde mir keine bank der welt einen kredit gewähren. was ich denn noch an sicherheiten hätte?

ich hörte nur „dispo sofort zurückzahlen“ und „kontopfändung“. ich weiß natürlich, dass sie theoretisch recht hat. aber warum kommt die damit jetzt? nach mehr als acht jahren? meine zinsen zahlen doch auch ihr gehalt, das schicke geheizte büro und den ergonomischen ledersessel, in den sie täglich furzt. muss das ausgerechnet am ersten arbeitstag des neuen jahres besprochen sein? und dann auch noch am telefon?

nun überlege ich, welche besonderen noch sparsameren maßnahmen ich umsetzen kann und will. ich könnte zum beispiel die bleistiftstummelwegwerfmarge auf drei zentimeter senken. mein fester vorsatz fürs neue jahr lautet jedenfalls:

sobald es mir gelingt, den dispokredit abzuzahlen – wann auch immer das sei – werde ich persönlich dafür sorgen, dass die zinsen, die meiner dispobank dadurch verloren gehen, der frau sparstrumpf dann vom gehalt abgezogen werden.

das hat sie dann davon, mir den jahresanfang so dermaßen zu versauen.


*
die ursache für den späten zahlungseingang lag gar nicht beim amt, sondern bei der dispobank, die zu faul war, am 31.12. das geld meinem konto gutzuschreiben und sich damit bis zum 3.1. zeit gelassen hat.


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