Achtung. Achtung. Achtung.
Wir sind umgezogen!

Januar 2021

Das Büro für besondere Maßnahmen ist ab sofort erreichbar auf mojour.de

Nach und nach werden alte Beiträge – ggf. aktualisiert und überarbeitet – dorthin umziehen. Bitte folgen ... :-)

Mittwoch, 23. Februar 2011

goldene maßnahme no 3

hin und wieder stolpere ich bei meinen virtuellen streifzügen durchs WeltWeiteWeibernetz über echte kronjuwelen. die berühren mein herz, die helfen mir weiter, die begleiten meinen lebensweg. die tun mir gut, die machen mich manchmal sogar glücklich. denen möchte ich gerne danke sagen.

dafür habe ich die goldene maßnahme erfunden: ob und wie ich sie vergebe, entscheide ich jedes mal aufs neue. bedingungslos. spontan und subjektiv. ich bin jury, ich bestimme adressatin und zeitpunkt. ich halte die laudatio. oder auch nicht. je nach dem ....

knapp drei monate sind seit der goldenen maßnahme no. 2 an Mondyoga von Sabiene Schmelmer vergangen.

nun ist es wieder so weit: ich habe eine andere seite entdeckt, die mir das gold wert ist!

das büro für besondere maßnahmen proudly presents .... tataaaa .... trommelwirbel .... große fanfare .... tuschschsch

die goldene maßnahme no. 3 ....



an Copperhead Coppinski und ihr Atelier für Sinnfreie Kunst


Copperhead Coppinskis kunst und werke zaubern mir bei jedem besuch ein verschmittstes, leicht debiles dauergrinsen ins gesicht – sogar in allertraurigsten zeiten. das will was heißen. das passiert mir nicht oft. das steigert mein selbstwertgefühlchen.

weil ich aus dem grinsen grade nicht mehr rauskomme, wird die laudatio nur ganz kurz: frau Coppinski malt schamlos charmant, besinnungslos klug – ihr humor ist bisweilen schwarz wie kohle und auch der rest ist nicht von schlechten eltern. hier mal ein beispiel, mein derzeitiger favorit:

Copperhead Coppinski bei DaWanda kaufen

das gefällt sogar der katze!

sehr geehrte frau Copperhead Coppinski – das büro für besondere maßnahmen dankt. von herzen!


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Mittwoch, 16. Februar 2011

working poor II

ich arbeite gern. ehrlich. ich finde es toll, dinge zu tun und dafür geld zu kriegen, mit dem ich dann meinen lebensunterhalt bestreiten kann.

knospe: amaryllis

leider funktioniert das in den letzten jahren immer weniger. mein leben als freie radikale wurde zunehmend prekär: die honorare fürs texten, übersetzen, als dozentin oder kursleiterin reichen mir schon lange nicht mehr. im grunde mache ich nur noch diverse ehrenämter. für gemeinnützige vereine.

immerhin wurden mir deren aufwandsentschädigungen bis zu der höhe, die 1-euro-jobber kriegen (also rund 160 euro im monat), bislang nicht aufs arbeitslosengeld2 angerechnet. diese regelung soll mit der neuberechnung der regelsätze übrigens wegfallen. dann werden übungsleiterpauschalen als einkommen angerechnet. so viel zur ‚erhöhung von hartzIV' und ‚verbesserung der zuverdienstmöglichkeiten‘.

also habe ich gedacht, ich wechsel mal die branche, werde dienstleisterin und entdecke eine marktlücke. und zwar was echt nettes, wo ich nicht ständig allein am schreibtisch sitze, sondern viel rumkomme und wieder mehr mit menschen zu tun habe: eine ganz besondere maßnahme!

seit oktober habe ich an einer schicken idee gebastelt und entwickelt, recherchiert und gedingelt, vorbereitet und geplant. ich habe mit behörden gesprochen, mit  potentiellen kundInnen und diversen fachleuten. meine idee hat durchaus aussicht auf erfolg. ich könnte sofort loslegen, bräuchte noch nicht mal einen kredit.

aber halt! ich bin arm, lebe am prekären rand der gesellschaft (obwohl ich weder bildungsferne schicht bin noch einen migrationshintergrund habe) und beziehe hartz4. da kann eine sich nicht einfach selbständig machen! das muss vorher beim amt beantragt werden:

auf meine freundliche anfrage, wie denn die modalitäten seien, wenn ich mich neben dem bezug von alg2 im zunächst geringfügigen umfang im gewerblichen nebenerwerb selbständig betätigen möchte, kam nach nur viereinhalb wochen eine antwort vom „jobcenter“ meiner zuständigkeit:

die gute nachricht: ich brauche keinerlei genehmigung vom amt. das ist doch schon mal was! nur die gewerbeanmeldung. kein problem so weit.

was ich aber dringend brauche, ist die „Anlage EKS – Erklärung zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, Gewerbebetrieb (…) im Bewilligungszeitraum“. ohne die geht gar nichts. auszufüllen und zu beantragen im voraus. ungefähr fünf seiten kleinstbedrucktes dinA3-format quer bedruckt. dazu ungefähr sieben seiten kleinstbedruckte erklärungen und „ausfüllhilfen“. meine freundin sagte „so ein formular muss man sich auch erst mal ausdenken können. dazu bedarf es einer gewissen gesinnung.“

alle zu erwartenden ausgaben und eingaben soll ich penibelst nach monaten aufgeschlüsselt für sieben monate im voraus hellsehen. für jeden bleistift, für jedes stück papier brauche ich einen beleg bzw. einen kostenvoranschlag. was ich nicht plane, gilt nachher nicht als ausgabe. dann zählen nur die einnahmen.

ich darf auch nicht einfach anschaffen, was mir sinnvoll erscheint: das fräulein vom amt hat da ein gutes wörtchen mitzureden und kann mir meine betriebsausgaben nach persönlichem gutdünken als „nicht angemessen“ aberkennen. wenn ich also den luxusbleistift aus dem fachgeschäft kaufe und nicht den aus dem hier-alles-china-billig-laden, ist das meine privatverzweiflung.

ein paar kleinigkeiten wie internetdomain und telefon, die ich während meiner planung schon bezahlt habe, werden ebenfalls nicht als betriebsausgaben anerkannt. klar, die habe ich ja auch vom regelsatz bestreiten können.

was mich nun völlig verwirrt und ausbremst: als alg2-empfängerin muss ich doppelte buchführung machen. eine fürs finanzamt und eine zweite völlig andere fürs arbeitslosenamt. denn „steuerrechtliche bestimmungen“ gelten nicht im jobcenter.

zum beispiel die fahrtkosten: ‚normale‘ selbstständige dürfen pro gefahrenen kilometer 30 cent als betriebsausgabe absetzen. emma arbeitnehmerin immerhin noch 30 cent pro entfernungskilometer als werbungskosten – also halb so viel wie die selbständige.

die selbstständige alg2-bezieherin hingegen muss mit 10 cent pro kilometer auskommen. obwohl ich nur ein klitzekleines sparauto besitze, decken die 10ct noch nicht mal die benzinkosten. den rest muss ich vom regelsatz bestreiten.

so rechnet das amt mich ‚reich‘, noch bevor ich überhaupt einen einzigen cent eingenommen habe. von dem hochgerechneten einkommen werden mir dann wiederum rund 80% vom alg2 abgezogen.

mal ganz abgesehen davon, dass ich mich frage, wie die mir zugeteilte freundliche sachbearbeiterin beim amt das alles beurteilen und dann auch noch korrekt berechnen will. sie hatte ja schon schwierigkeiten mit den grundrechenarten, als sie im vergangenen jahr nur mit den zwei zahlen von meinem brutto- und nettosold als hochschulsekretärin zu kämpfen hatte.

kein einziger ihrer bescheide war auf anhieb korrekt. neben all dem kokolores, den ich sonst an der backe hatte, musste ich ihr auch noch nachhilfe in den einfachen grundrechenarten addition und substraktion erteilen. von den schwierigeren wie plutimikation und diversion ganz zu schweigen!

mein fazit, leider: meine gerade erst knospende idee ist gestorben. erstens, weil ich mir nicht leisten kann, meine selbständigkeit mit dem regelsatz zu finanzieren. zweitens, weil ich den stress nicht ertrage, noch mehr mit dem amt zu tun haben zu müssen.

schade drum – deutschesland scheint irgendwie nicht zu wollen, dass arbeitslose aktiv und tätig werden. ich bin sehr frustriert.

die tollen formulare EKS gibt es übrigens bei der arbeitsagentur zum download. nur für den fall, dass mir vielleicht jemand helfen möchte und findet, dass das alles gar nicht so schlimm ist, wie es aussieht: arbeitsagentur.de > Formulare > Formulare für Bürgerinnen und Bürger > Arbeitslosengeld II


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Mittwoch, 9. Februar 2011

no politics

schon des öfteren wurde ich gefragt, warum das büro für besondere maßnahmen sich auf private angelegenheiten beschränkt. warum ich nicht auch politische themen posten würde. ich sei doch klug und informiert und habe eine fundierte meinung.

"happy end recycling"

genau deswegen. sobald ich mich mit den politischen hintergründen beschäftige, wird mir so dermaßen kotzübel, dass ich es einfach nicht mehr ertrage. manchmal weiß ich selbst nicht, wie es mir gelingt, all das nüchtern auszuhalten ‚bei lebendigem leib‘ - ohne wieder alkohol zu trinken.

zum beispiel die hartz4 debatte: ein unsäglich verlogenes schmierentheater! es geht weder um monatlich fünf euro mehr oder weniger für bedürftige, noch geht es um zehn euro mehr oder weniger für bedürftige kinder.

es geht vor allem darum, in deutschland den bisher geschaffenen niedriglohnsektor nicht nur zu erhalten, sondern weiter auszubauen. klartext: es ist politisch gewollt, dass menschen von dem lohn für ihre arbeit nicht mehr leben können.

das ist ein prozess, der nicht erst seit vorgestern läuft. schon ende der 1980er sah es mau aus auf dem arbeitsmarkt – auch wenn es damals noch nicht so schwierig war wie heute.

es wurde nicht besser dadurch, dass die brd die ddr aufgekauft hat. zumindest nicht fürs "volk".

um die jahrtausendwende herum diskutierten wir in der redaktion den volkswirtschaftlichen schaden, der durch den ‚lügenfaktor kohl‘ entstand: „was die volksvertreter dürfen, darf das volk schon lange: schwarze kassen haben. und sich nicht daran erinnern.“

richtig in fahrt kam der abwährtstrend anfang 2005 mit der zusammenlegung von sozial- und arbeitslosenhilfe, die uns als ‚alternativlos‘ verkauft wurde: die hartz-gesetze traten in kraft. nebenbei bemerkt will es mir bis heute nicht in den kopf, wie es sein kann, dass gesetze nach rechtskräftig verurteilten verbrechern benannt werden. auch das hat negative vorbildfunktion.

was „dem volk“ nie offiziell vermittelt wurde: reine wirtschaftliche interessen waren und sind der wahre grund für den demütigenden umgang mit erwerbslosen menschen und gering-verdienerInnen. schon gemerkt?! im wort „verdienerIn“ steckt der/die „DienerIn“ - nix mit gleichberechtigung der arbeitenden bevölkerung oder gar beschäftigungsverhältnissen auf augenhöhe. wer arbeiten und dafür geld erhalten will, muss buckeln.

die wirtschaftlichen interessen hat der damalige bundeskanzler schröder in seiner rede auf dem weltwirtschaftsgipfel in davos am 28. januar 2005 klar zum ausdruck gebracht: „Wir haben einen der besten Niedriglohnsektoren aufgebaut, den es in Europa gibt.“ (quellen: redenarchiv der bundesregierung; offizielles video des world economic forum/youtube bei ca. 21:00)

das ist der punkt: zum zwecke der gewinnmaximierung einiger weniger (nein, ich schreibe jetzt nicht: „geldgeiler fettsäcke“) braucht es dringend kostengünstige arbeits-sklavInnen. und zwar solche, die nicht aufmucken. dass sie nicht aufmucken, wird erreicht durch angedrohte und durchgeführte kürzungen des existenzminimums – zum beispiel bei verweigerung der arbeitsaufnahme zu sittenwidrigen niedriglöhnen.

es ist nicht davon auszugehen, dass in den sechs jahren seit schröders rede irgendeine der deutschen regierungen auch nur ansatzweise versucht hat, ihre politik nicht länger der herrschaft der wirtschaftsinteressen unterzuordnen. im gegenteil. wir sehen, dass die schere zwischen arm und reich immer weiter auseinandergeht – und lassen uns ‚von denen da oben‘ einreden, dass es leider leider ‚alternativlos‘ sei.

damit bin ich wieder bei der derzeitigen diskussion um hartzIV. die geplante erhöhung um fünf euro zeigt ganz deutlich, was die menschen der regierung und den dahinter stehenden wirtschaftsinteressen wert sind: so gut wie nichts. denn für die gewinnoptimierung braucht es niedriglöhner.

betriebe, die niedriglöhner beschäftigen, können sich darauf verlassen, dass der staat den verdienst aufs sogenannte „existenzminimum“ aufstockt. das bedeutet, dass diese betriebe ihren reibach machen auf kosten der steuerzahlerInnen, und zwar in milliardenhöhe: für 2009 ging man von mindestens vier milliarden euro aus, mit denen der staat auf diese versteckte weise die wirtschaft subventioniert hat (quelle: verdi, jan 2010). zahlen für 2010 konnte ich nicht finden, die sind sicher nicht gesunken. die wahren schmarotzer unserer gesellschaft sind also nicht die „erwerbslosen“, denen die teilnahme am erwerbsleben verweigert wird, sondern die arbeitgeber, die ihren gewinn auf kosten der steuerzahlerInnen machen.

dazu passt, dass es keinen einheitlichen mindestlohn geben ‚darf‘: nicht einmal 7,50 €/h sind die arbeiterInnen den wirtschaftsbossen wert. obwohl selbst damit bei vollzeitbeschäftigung und lebensarbeitszeit von 45 jahren ohne unterbrechung nur eine rente erreicht werden könnte, die mit einer höhe irgendwo zwischen 500 und 600 euro weit unter dem mindestbetrag der grundsicherung liegt (quelle dlf, februar 2011).

dann ist da noch die forderung ‚gleicher lohn für gleiche arbeit‘ - zumindest für leiharbeiter. es steht zur diskussion, ob der bereits nach einem oder erst nach neun monaten gezahlt werden soll. wie bitte?!

wie kann es sein, dass menschen für gleiche arbeit ungleich entlohnt werden dürfen?! ist denn das mit unserem grundgesetz vereinbar? ich halte es für zynisch und menschenverachtend, dass hier das „wie lange“ überhaupt zur debatte steht – und nicht das grundsätzliche ‚ob‘ - das sofort mit einem klaren nein beantwortet werden müsste.

wie kann es überhaupt sein, dass die lebenszeit verschiedener menschen so unterschiedlich viel wert ist, dass die einen mit ihrer arbeit nicht mal ihr eigenes existenzminimum sichern können, geschweige denn das einer ganzen familie - während andere so dermaßen viel geld kriegen, dass sie sich den arsch mit blattgold abwischen können?!

ich bin sicher, dass die erde genug hergibt für alle. es ist eine frage der verteilung. wozu braucht ein einzelner mensch mehr als er in einem einzigen leben ausgeben kann? das letzte hemd hat keine taschen.

vielleicht könnte man an dieser stelle nicht nur den leiharbeiter pay gap schließen, sondern auch endlich den gender pay gap? das wäre längst überfällig, zumal deutschland hier eine unrühmliche spitzenposition einnimmt.

aber das wird nicht gehen, wartet‘s ab: leiharbeiterInnen müssen weniger verdienen als die stammbelegschaft, weil das z.B. als argument gegen lohnerhöhungsforderungen prima genutzt werden kann: entweder du bleibst billig, oder wir müssen dir leider leider kündigen – dann kannste als leiharbeiterIn für die häfte vom alten gehalt wieder einsteigen. das wird längst praktiziert und wäre ja nix neues.

zu "guter" letzt versprühen "die damen und herren regierung" noch in altrömischer manier - teile und herrsche - nach allen seiten halbwahren informationsnebel, um auf diese weise damit die einen armen schlucker gegen die anderen armen schlucker gegen die letzten noch einigermaßen gutverdiener aufzuhetzen und gegenseitig aufeinander neidisch zu machen. blödzeitung & co. sei dank.

wer sich gegenseitig das wasser abgräbt, macht keine revolution: während das volk sich zofft, reiben merkela, ackermann & co. sich die hände. von unserer eiskalten halbadeligen bundesblondine, der arischen zuchtstute in sarrazinscher manier - ganz zu schweigen.

happy end? unwahrscheinlich.

weil all das und noch viel mehr mich so sehr aufregt, mich wütend und mir angst macht - mit heulen und zähneknirschen in folge – brauche ich all meine kraft, um nicht allzu sehr in selbstzerstörerische muster und schwere depressionen bis hin zur suizidalität abzugleiten.

genau deswegen schreibe ich nicht über politische themen.


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Dienstag, 1. Februar 2011

farbrausch - vermietergeschichte no. 4

im haus gibt es veränderungen.


nein, der vermieter hat seine polkaquetschkommode nicht verschrottet.

im gegenteil. erst neulich hat er mit ein paar kumpels aus dem dorf eine neue combo gegründet. sie nennen sich ungefähr „die letzten raketen“. aus datenschutzrechtlichen gründen möchte ich hier den genauen namen nicht nennen.

da die jungs aber outstanding kreativ sind, wundert es mich nicht, dass ihre band entstand, nachdem im vergangenen jahr ein gleichnamiger film über eine seniorenbänd mit jan josef liefers in allen programmen der ard rauf und runter lief. ein sehr schöner, heiterer und aufmüpfiger film, übrigens. was ich von der hausbesitzermusik nicht sagen kann.

es wird also weiterhin regelmäßig geübt in der beletage. täglich ländliches rumtata, gerne stundenlang bodenständiger viervierteltakt. der vermieter ist anfang sechzig. andere rentner sind in dem alter alt-68er. ich bleibe friedlich. sie haben mir seit mehr als sechs jahren die miete nicht erhöht.

die veränderung im haus ist anderer art.

es begann schon im sommer. als ich von der reha zurück kam, war der lebensgefährte von vermieters töchterlein (wohnung parterre) ausgezogen. gut, dachte ich mir: wenn der alte (liebhaber) nicht geht, kann der neue nicht kommen. altes chinesisches sprichwort. schon im frühsommer hatte ich sie mit einem anderen mann hand in hand durch die reben schlendern sehen.

nicht dass ihr denkt, das liebesleben der winzerdorfbewohnerInnen würde mich sonderlich interessieren. aber selbst die fortschrittlichste freie radikale wird wunderlich, wenn sie so lange in einem so ehrenwerten haus lebt.

der alte war also weg. im dezember dann wurde mir von der vermieterin eröffnet, dass es einen umzug geben würde. also einen weiteren aus- und einen einzug. sie drückt sich gerne etwas umständlich aus. so hat nun töchterlein vor zwei wochen ihr hotel mama verlassen und ist zu dem neuen gezogen. weltbewegende 140 km weit fort in die fremde ferne.

töchterlein ist ungefähr mitte dreißig. mama hat abschiedsschmerz. ich bin da leidenschaftslos aber ein bißchen froh, weil meine wohnung nicht mehr täglich bebt, wenn töchterlein das haus bevölkert.

schluss mit treppenabsatzklappern mit großem getöse, interfamiliärer kommunikation über die stockwerke gebrüllt und türenknallen auf dem weg zur arbeit morgens um halb acht. das ist seit mehr als sechs jahren meine aufwachzeit. ich werde nun einen wecker kaufen müssen.

jetzt ist sie also weg. da die alte gegangen ist, kann der neue (mieter) kommen. der neue – so viel hat die hausfrau mir schon verraten – ist ein junger (also jünger als sie) auswärts berufstätiger mann, der vorraussichtlich (= vermieterspeak für hoffentlich) nur am wochenende im haus sein wird.

„außerdem sind die eltern aus dem dorf, die kennen wir schon seit jahrzehnten. da hoffen wir mal, dass das gut geht.“ aha. der arme kerl. voll unter elterlicher und vermieterlicher kontrolle. mir schwant, das scheint ihnen wichtig zu sein, nachdem sie meine eltern immer noch nicht kennen und auch ich mich nicht sonderlich gut kontrollieren lasse.

damit der neue auch tatsächlich kommen will, wird die wohnung im erdgeschoss vorher renoviert. das passiert derzeit. weil die vermieter ordentliche deutsche sind, wird auch nur mit ordentlicher farbe gepinselt: die supergiftige mit dem totenkopf auf dem etikett. weil die länger hält. oder bessere ergebnisse bringt. was weiß denn ich.

farbtöpfe und aller anderer „renovierkram“ stehen auf meiner ‚absolutely-no-like-liste‘. die dämpfe sind mir zu heftig. machen kopfschmerzen, übelkeit und schwindelfegühl. die vermieter hingegen scheinen nicht nur mit den ohren taub zu sein, sondern auch in der nase. gnadenlos und tagelang stehen sie glücklich grinsend im farbmief als wären sie sniffer auf tüte.

vielleicht brauchen sie den ätherischen chemokick, um das eigene gedudel besser ertragen zu können. damit nicht gleich wieder alles verfliegt, verzichten sie darauf, fenster und balkontür zu öffnen. statt dessen wird ausgiebig ins treppenhaus gelüftet.

weil dünste aus physikalischen gründen gerne mal noch oben verfliegen, landen sie alle bei mir unterm dach. meine wohnungstür ist nicht dicht – kurz: ich habe derzeit ein olfaktorisches gleichgewichtsproblem.

im vergleich zu dem, was mir sonst so schlaflose nächte macht, ist das eine geradezu harmlose ablenkung.


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