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Januar 2021

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Freitag, 28. Juni 2013

zyklen

ein wortgeplänkel

keine drei tage mehr, dann ist das jahr 2013 zur hälfte vorbei. vergangene woche war sommersonnenwende. seither werden die tage schon wieder kürzer.

mittsommerberg 2013

die zeit rast, gnadenlos wie eine planierraupe. wenn sie einer doch wenigstens auch die falten glätten würde! es kommt mir vor wie ein fingerschnipp, diese sechs monate seit der letzten wintersonnenwende. als ich mich so gefreut habe, dass die tage nun wenigstens nicht mehr kürzer werden.

woran liegt das, dass die zeit kürzer zu werden und schneller zu vergehen scheint, wenn wir älter werden?

zum einen, denke ich, liegt es an einem 'mehr' an insgesamt gelebter zeit. das mathematische verhältnis einer gewissen zeitspanne zur insgesamt gelebten zeit verändert sich und erscheint uns dadurch weniger lang. ein beispiel:

ist eine fünf, dann macht ein halbes jahr satte zehn prozent des bisherigen lebens aus. das ist viel! mit fünfzig, da sind sechs monate gerade mal noch ein prozent. ein prozent ist viel weniger als 10 prozent, das ist allen klar und logisch. also kommen uns auch im alter sechs monate verhältnismäßig kürzer vor als in der jugend – auch wenn objektiv gesehen sechs monate natürlich immer gleich lang sind.

und: ein prozent von irgendetwas – was ist das schon?! falls wir das verlieren, das ist nicht so schlimm. wir haben ja noch 99 andere!

ein anderer aspekt erscheint mit der, dass es im alter weniger neues gibt. als kind traf ich fast täglich auf neues, entdeckte ich ständig unbekanntes, es gab mehr überraschungen!

jetzt im alter … nun ja. ich drehe mich im hamsterrad meiner nicht einmal selbst gewählten verpflichtungen und komme nicht vorwärts. nichts schönes passiert mehr. nichts wirklich spannendes gibt es mehr zu entdecken. nur katastrophen geben noch eine zäsur.

wenn man zum beispiel drei wochen lang urlaub macht – was ja heutzutage eine seltenheit ist, aber stellt euch das einfach mal vor, so wie es früher üblich war – drei wochen am stück irgendwo anders, wo man noch nie war, wo es schön ist und spannend!

da kam einem die erste woche auch immer verhältnismäßig länger vor, weil es so viel neues zu entdecken gab, weil so viel noch unerlebtes wirklichkeit wurde. welch ein genuss! in der mittleren woche wurde dann das „neue“ zur gewohnheit und in der letzten woche dachte man schon wieder ans kofferpacken. von tag zu tag schien der urlaub schneller zu vergehen! obwohl doch jeder tag 24 gleich lange stunden hat.

und erst die großen ferien, damals! sechs unendlich lange wochen am stück! voller abenteuer, voller ungewissheit, auf jeden fall aber ohne diesen schrecklichen zwang, jeden morgen denselben weg in die immer selbe schule latschen zu müssen. welch eine freiheit!

was aber sind heute noch sechs wochen? die vergehen im alltagstrott und sind nicht weiter der rede wert, weil es mindestens so lange braucht, bevor man einen arzttermin bekommt. oder eine antwort auf das schreiben ans amt – wenn überhaupt. da passiert nicht groß etwas in der zwischenzeit.

es scheint gerade so, als ob sich andere von meiner zeit ernähren. oder zumindest ziemlich verschwenderisch damit umgehen.

ein tag ist ein guter tag, wenn nichts kaputt geht, wenn ich nicht betrogen, nicht bedroht und nicht belogen werde. wenn kein scheußlicher brief vom jobcenter auf dunkeldeutschgrauem papier im echten postkasten liegt und auch keine böse email im virtuellen online-speicher eintrudelt.

dann muss man schon froh sein. wenn aber leben nur noch die abwesenheit von unglück und schikanen bedeutet, dann ist vom leben nicht mehr wirklich viel übrig – und es ist auch kein gelungenes.

gelungenes leben bedeutet doch freiheit! sollte es zumindest. so steht es im grundgesetz. wenn eine nicht in freiheit lebt, fühlt die gelebte zeit sich seltsam schal an und vergeht – in der rückschau – schneller. viel zu schnell. weil die tage sich gleichen wie ein ei dem anderen.

genau umgekehrt verhält es sich mit der aktuell gelebten zeit im sogenannten hier und jetzt, der erlebten gegenwart: wenn eine das hier und jetzt nicht liebt, wenn sie unfrei ist, dann vergeht die gegenwart zäh und klebrig wie kaugummi. nämlich fast gar nicht. alle stunden, alle tage fühlen sich irgendwie gleich an.

in freiheit gelebte aktuelle gegenwart hingegen vergeht sehr schnell: „wie im flug,“ sagt man auch so schön. frei und fliegend, ein sehr lebendiges bild. in der rückschau erscheint einem die in freiheit gelebte zeit dann länger, weil man so vieles zu erinnern und zu erzählen hat.

wer aber im hamsterrad gefangen ist und nur hofft, dass es nicht aufhört sich zu drehen, weil das leben sonst vorbei wäre, die hat später weder etwas schönes zu erinnern noch zu erzählen.

da ist es egal, ob eine sich sechs tage, sechs wochen, sechs monate oder sechs jahre leben lang im kreis gedreht hat.

das, denke ich, macht den größten unterschied.

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Montag, 24. Juni 2013

selbstverständnis

- rosenworte zum montag -

dass eine älter wird, merkt sie auch daran, dass die dinge, ereignisse und menschen, an die sie sich erinnert, immer länger zurückliegen.

da ist bisweilen schönes, trauriges, nutzloses, wahres und lustiges dabei.

Veronique B.
eine meiner erinnerungsperlen aus der jugend ist ein kleines rotes buch, "Lebenszeichen" hieß es, von brigitte heidebrecht. ich war 17 oder 18, also offiziell so gut wie erwachsen, als sie es im selbstverlag veröffentlichte und ich es in einer kölner buchhandlung neben der kasse fand.

heidebrecht schrieb klare, kurze worte. lyrische prosa. eingängig. bei fast allem habe ich heftig genickt.

das büchlein habe ich nicht mehr, aber meine erinnerung hat die worte noch fast alle beieinander. diese zum beispiel:
Seit ich mich selbst
einigermaßen
verstehe
bewege ich mich
mit einer gewissen
selbst-verständlich-keit
meine persönliche selbstverständlichkeit scheint über die jahrzehnte hinweg im wandel zu sein. das ist in ordnung für mich, denn ich lerne und lebe erfahrungen, lebenslang. dennoch gibt es auch konstanten, die bleiben.

mein 'rosiges' selbstbild etwa, das immer aus den drei komponenten "duftende blüten, üppige blätter und wehrhafte stacheln" besteht. zeitweilig bin ich auch nur ein stock mit nix dran - aber sehr winterhart.

es ist doch immer wieder spannend, was mein langzeitgedächtnis so als be-merkenswert selektiert.

ich wünsche euch eine rosenduftige woche!

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Montag, 17. Juni 2013

es war einmal ... eine rose

- rosenworte zum montag - 

was vor zwei wochen mich duftend verwöhnte, vor einer woche tapfer den kopf hängen ließ - ist heute trocken raschelnde vergangenheit: meine erste rose 2013. aber sie duftet immer noch, irgendwie, und hält die erinnerung an sich selbst lebendig.

der raschelnde Rest, fast verduftet

hoffentlich entzündet sie sich nicht auch selbst, wie so manch hitziger krisenherd. man könnte meinen, einer davon sei heute auf meinem balkon: 36,2 grad im schatten zeigt das außenthermometer.

aber alles friedlich hier, zum glück: eine etage tiefer dudelt der vermieter unverdrossen rosamunde auf seiner quetschekommode, auf dem teppich rollt sich die katze dreimal umeinander und erwartet dafür eine belohnung, und ich schwitze so vor mich hin.

durch den kopf gehen mir heute worte wie soldaten. 50. jahrestag des DDR-volksaufstands 17. juni 1953; in Istanbul brennen der Gezi- und der Taksimplatz. die wasserwerfer sind dort nicht unterwegs, um feuer zu löschen.

als ich noch zur schule ging, damals in den 70er jahren des 20. jahrhunderts, lernten wir schülerInnen die parole "nie wieder krieg!"

das fanden wir gut, und das erschien mir sinnvoll. mein großvater hatte zwei weltkriege er- und überlebt, die eltern je einen. viele meiner vorfahren haben diese kriege nicht überlebt. der zweite indochinakrieg (bei uns besser bekannt als vietnamkrieg) war noch nicht wirklich vorbei.

wir waren uns alle einig: krieg ist schlimm. wir wollten keinen mehr.

aber immer hat sich irgendwer irgendwo nicht daran gehalten. es gibt tatsächlich menschen, die wollen krieg. und ich verstehe nicht, warum.

mein ganzes leben lang gab es immer krieg. irgendwo. manchmal weit weg, manchmal durch die medien in meinem wohnzimmer, dann wieder in meinem herzen.

die vererbten traumata der eltern, mein mitgefühl mit allen, die leiden, aber auch feindseligkeiten in meinem eigenen alltagleben. warum? was hat der einzelne mensch davon, einen anderen zu zerstören und an einem friedlichen leben zu hindern?

ich weiß keine antwort auf diese frage. ich will immer noch keinen krieg. und muss doch damit umgehen.

aus diesem anlass leihe ich mir meine heutigen rosenmontagsworte bei einer der klügsten frauen unserer zeit:
"Möge alles, was [Kriegsteilnehmerinnen und] Kriegsteilnehmer aller Seiten an Destruktivem in die Welt senden, niemanden treffen, sondern sich umkehren und sie selber treffen."
(Angelika Aliti, Das Maß aller Dinge, 2000, S. 68)
die ergänzung in den eckigen klammern stammt von mir. ich habe die erfahrung gemacht, dass frauen keineswegs das friedfertigere geschlecht sind. leider. auch wenn ich das gerne so hätte. ich kann noch nicht einmal mich selbst immer davon ausnehmen.

und deswegen gibt es auch noch ein ergänzungsrosenwort von mir, mal wieder ein stacheliges!
"wer nicht für einen hinterhältigen, verlogenen und intriganten kotzbrocken gehalten werden will, der/die braucht sich ganz einfach nur nicht wie ein hinterhältiger, verlogener und intriganter kotzbrocken zu verhalten."
ich wünsche allen eine friedliche woche!

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Montag, 10. Juni 2013

rosenruine

- rosenworte zum montag -

eine ganze woche lang hat sie mich mit ihrem duft, mit ihrer samtenen schönheit olfaktorisch und optisch ernährt, die erste rose des wilden jahres 2013.

Rosenmontag, 10. Juni 2013

nun lässt sie sich hängen. die reste räume ich noch nicht weg.
manchmal mag ich lange abschiede.

in anderen fällen hingegen bin ich froh, wenn manch eineR sich endlich vom acker macht. reisende soll man nicht aufhalten, kann ich dann nur sagen.

oder, wie die engländerin es mit schwarzem humor zu sagen beliebt: "don't let the door hit you on the way out."



ps.
ihr merkt es schon - in der vergangenen woche habe ich eine neue kategorie kreiert: die rosenworte am montag. die heutige version hat stacheln. auch das kommt vor.

rosenworte sind eine besondere selbstheilungs-maßnahme: der versuch, mir ein wenig über zeitweilige sprachlosigkeit hinwegzuhelfen, nicht wortlos zu verschallen.

ganz bald, versprochen, produziert das Büro für besondere Maßnahmen auch wieder text mit inhalt.

ich wünsche euch allen eine gute woche, geht nicht unter!

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Montag, 3. Juni 2013

die erste rose 2013

- rosenworte zum montag -

... kam vor paar tagen zu mir
knospe noch, geschenk einer freundin
(die erste vom großen rosenstrauch, ihr garten im nachbardorf) 

Rosenmontag, 3. Juni 2013

heut' ist sie voll aufgeblüht
mitternachtsdunkelrot

ihren namen kenn' ich nicht
aber ich schmecke ihren duft

ich habe ihr tief ins herz geblickt
und mich erinnert
an mein rosenrecht


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