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Januar 2021

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Nach und nach werden alte Beiträge – ggf. aktualisiert und überarbeitet – dorthin umziehen. Bitte folgen ... :-)

Montag, 31. März 2014

Freude im Leben

- Rosenworte zum Montag - 

Heute ist so ein Tag voller Angst und Panik: Cortisol und Adrenalin rasen wie ferngesteuert auf Hochtouren durch meine Adern und verbrennen mich innerlich.

Das HartzIV-Amt zahlt nicht, wie es sollte. Laut Bescheid hätte heute das monatliche Arbeitslosengeld eintreffen sollen - mit dem ich dann morgen die Miete, den Strom, die Krankenkasse, die Versicherungen und was nicht sonst noch alles hätte bezahlen können.

Rosen des Frühlings: Ranunkeln

Es ist aber nichts überwiesen worden. Woran das liegt, kann ich nicht herausfinden. Im Jobcenter ist - wie üblich - niemand zu erreichen.

Mein Dispo-Limit ist am Monatsende knapp am Anschlag. Ich versuche seit Jahren vergeblich, da wieder herauszukommen.

Was immer morgen zum Monatsanfang bezahlt werden muss, kann also diesmal nicht abgebucht werden. Oder es wird abgebucht und kurz darauf zurückgebucht wegen fehlender Deckung. Dann werden zusätzliche Mahn- und sonstige Gebühren fällig. Wo ich doch ohnehin schon nicht mehr weiß, wie ich meinen kargen Alltag überhaupt finanzieren soll.

Hinzu kommen peinliche Erklärungen und Entschuldigungen für mein verspätetes Bezahlen (das noch nicht einmal in meiner Verantwortung liegt), bei denen ich vor Scham in Grund und Boden versinken möchte.

Ganz früher hätte ich mir jetzt die Kante gegeben und mich besinnungslos besoffen. Das fällt aus.

Bis vor kurzem noch hätte ich zur Beruhigung erst einmal zwei Tafeln Schokolade gegessen. Auch das fällt aus.

Ich weiß nicht, wie ich diese Katastrophe ertragen soll. Tigere in der Wohnung auf und ab, kann mich auf nichts konzentrieren. Es ist schrecklich. Gegen Bürokraten ist weder Durch- noch Ankommen.

"Irgendeine dritte Person entscheidet über dein Leben: 
Das ist die ganze Essenz der Bürokratie."

Dieses Zitat ist nicht neu. Es stammt aus dem Werk "Die Arbeiteropposition" von 1921, verfasst von der der russischen Revolutionärin, Diplomatin und Schriftstellerin Alexandra Michailowna Kollontai. Sie wurde am 31. März 1872 in Petersburg geboren.

Ob und wie es mich trösten kann, dass ich mit diesen Erlebnissen und Erkenntnissen nicht alleine bin, darüber könnte ich mir nun in Betrachtung meiner zauberhaften Ranunkeln auf dem Balkon ein paar Gedanken machen. So zwei, drei Stück.

Ändern kann ich an dieser Situation allein durch positive Gedanken hingegen überhaupt nichts mehr.

"Es ist wie es ist und es gefällt mir nicht."
(mo jour, heute)

Auch das muss einmal gesagt werden dürfen!


Nachtrag am 1. April 2014
(Nein, kein Scherz):
  • Gestern am Vormittag hatte ich meinem Sachbearbeiter beim Jobcenter auf den AB gesprochen, dass mit der Zahlung für April offensichtlich etwas schief gelaufen ist und um Rückmeldung gebeten. Seine Durchwahl steht auf all seinen Schreiben. Im Jobcenter Breisgau-Hochschwarzwald machen sie aus den Telefonnummern kein Geheimnis.
  • Am Nachmittag war ich persönlich bei der Sparkasse meines Vertrauens und habe die Situation erklärt und um Kulanz gebeten. Eine Kopie meines letzten Arbeitslosengeldbescheides hatte ich dabei als Nachweis dafür, dass Geldeingang unterwegs ist.
  • Heute ist das ALG für April, das gestern hätte eintreffen sollen, immer noch nicht angekommen.
  • Trotzdem hat die Sparkasse alles abgebucht, was anstand. Ohne Deckung, in vollem Vertrauen auf meine Angaben. Ich muss nirgendwo sonst betteln gehen oder Erklärungen abgeben. Natürlich zahle ich jetzt ordentlich Zinsen für die Kontoüberziehung, aber das Schlimmste ist erst einmal verhindert (nämlich dass zum Beispiel mein oller Vermieter wegen verspäteter Mietzahlung Grund hätte für eine fristlose Kündigung).
  • Im Laufe des Vormittags rief mein Sachbearbeiter vom Jobcenter mich persönlich zurück und teilte mit, dass er sich das nicht erklären könne, die Zahlung für April sei pünktlich angewiesen worden.Er hat mir sogar von sich aus angeboten, mir den Betrag unverzüglich in bar auszuzahlen.
  • Wir sind so verblieben, dass ich erst einmal diese Woche abwarte. Wenn die Zahlung angewiesen ist, muss sie ja irgendwann demnächst eintreffen. Der Weg in die Stadt zum Jobcenter ist weit und teuer.
  • Ich warte also ab - und bin sehr erleichtert, dass da nicht nur Monster im Jobcenter und in der Sparkasse arbeiten. Ich habe mich bei beiden brav und artig bedankt.


Nachtrag am 4. April 2014
Bis heute hat es gedauert. Nun ist das Arbeitslosengeld für April endlich angekommen. Ich kann also auch wieder am Goldautomaten ein bißchen Bargeld abheben und mir etwas zum Essen kaufen.
Für satte 4,63 Euro am Tag. Offiziell.

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Donnerstag, 20. März 2014

Sandalenwetter

- Besondere Maßnahme No. XXXIII - 

„Bei 15 Grad Kniestrümpfe, 17 Grad Söckchen und ab 20 Grad barfuß“ - das war der Dress-Code meiner Kindheit in einem Kölner Industrie- und Arbeiterviertel, irgendwo zwischen Chemischer Fabrik Kalk und Klöckner Humboldt Deutz.

Schöne Füße: Barfuß ab 20 °C

Natürlich ging das nicht ohne Diskussionen ab. Ich hatte den seltsamen Ehrgeiz, in der Schule die erste zu sein, die ohne Strümpfe ankam. Die Mutter hingegen wollte verhindern, dass ich mir nach dem gerade erst überstandenen Winter ausgerechnet im schönsten Frühling eine Erkältung zuzog.

Abend für Abend starrte ich auf den Wetterbericht und hoffte, dass die Mutter mir einen strumpflosen Tag erlauben würde. Sie war streng und hielt sich an ihre Regel, während ich um zehntel Grade feilschte.

Von all den eiskalten Botschaften der Mutter, die ich bis aufs Fieseste verinnerlicht habe, ist mir die Sockenregel die liebste. Weil sie im positiven Sinn etwas mit 'bemuttern' zu tun hat. Für mich zumindest. Um Zehntelgrade feilsche ich heute nicht mehr. Mit mir selbst macht das keinen Spaß.

Dass es in meiner Kindheit jemals schon an einem Frühlingsanfangstag so wie heute mit 23 °C diskussionslos zum barfuß laufen warm genug gewesen wäre, daran kann ich mich nicht erinnern. Diesen Tag heute habe ich deswegen ganz besonders genossen - als persönlichen Beitrag zum International Day of Happiness and Well-Being.

Umso mehr, als ich nun endlich die neuen Sandalen einweihen konnte: Geschenk einer langjährigen Freundin zum letzten Geburtstag. Aus feinstem Leder, innen wie außen. Nur drei Zentimeter Absatz, sehr bequem. Von der Schuhmanufaktur Remonte. Wenn eine erst die halbe Hundert hinter sich hat und obendrein prekär haushalten muss, sind solcherlei Geschenke durchaus erlaubt und willkommen.

Habe ich eigentlich jemals erwähnt, dass ich Socken und Strümpfe aller Art hasse und so oft wie möglich barfuß laufe, auch im Winter? Meine Füße brauchen Licht und Luft, sonst kann ich mit dem Kopf nicht denken!

Mit diesen Sandalen bin ich also nicht nur schöner zu Fuß unterwegs, sondern auch schneller mit dem Kopf. Ich liebe sie!

Dass die Farbe des Sandalenleders der Fellfarbe meiner geliebten Glückskatze Ginivra ähnelt, die zu meinem Wohlbefinden ebenfalls einen unverzichtbar großen Beitrag leistet, ist allerdings eher Zufall. Glaube ich zumindest.


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Montag, 17. März 2014

Bewerbung

Natürlich ruhe ich mich nicht aus auf dem Minijob im Anzeigen-Verlag, den ich nun schon seit fast einem halben Jahr tapfer aushalte. Wir erinnern uns? Der Stundenlohn liegt noch unter dem, was ich vor rund 30 Jahren als Studentin verdient habe.

Ungefähr 110 Euro verdiene ich da im Monat, die ich zusätzlich zum Arbeitslosengeld behalten darf. Eine nachhaltige Aufstockung ist nicht in Sicht. Weder, was meine Arbeitszeit – noch, was meinen Lohn angeht.

Begegnungen im Frühlingshimmel

Das reicht natürlich hinten und vorne nicht. Vor allem bietet es mir keinerlei Perspektive, jemals aus dem menschenverachtenden System Hartz IV herauszukommen. Qual und Folter!

Also bewerbe ich mich weiter. Stellen für kreative, sprachgewaltige Frauen über 50 sind dünn gesät. Erst recht hier im Südwesten. Wenn eine nicht Bäckereiverkäuferin ist, Putzfrau oder Altenpflegerin, dann ist da nicht viel zu machen.

Neulich wurde aber doch einmal ein „Lektor für Deutsch“ gesucht. Und zwar ab sofort! Ich bewarb mich flugs online, bringe alle geforderten Qualifikationen und sogar mehr als die.

Am vierten Tag nach meiner Bewerbung erhielt ich eine E-Mail. Man bat um Verständnis, dass die „sorgfältige Prüfung“ meiner Unterlagen bis zu sechs Wochen dauern könne.

Sechs Wochen? Ich dachte, die suchen jemand ab sofort?! Des Rätsels Lösung fand sich versteckt im nächsten Satz: Ich möge doch bitte einstweilen meine Gehaltsvorstellungen kundtun.

Meinen Marktwert? Ohne die Aufgaben im Detail zu kennen, die nötigen Qualifikationen, den zeitlichen Aufwand? Und dann auch noch per E-Mail, also quasi auf einer digitalen Postkarte? Dass die Kommunikation via Internet nicht sicher ist, wissen wir ja nicht erst seit Herrn Snowden ...

Interessant. Sie sind offensichtlich geizig und suchen nur den Billigsten. Im Klartext hatte die sehr geehrte Frau Recruitment also ungefähr Folgendes gemeint:

„So eine ältliche Mitarbeiterin wollten wir eigentlich nicht. Die kommt auf keinen Fall in die engere Wahl. Aber sie ist bestens ausgebildet und hat umfangreiche Erfahrungen. Also frag sie doch mal, was sie kostet. Vielleicht ist sie ja billig, dann können wir sie uns trotzdem einmal anschauen.“

Ich habe nicht vor, zum Dumpinglohn zu arbeiten und trotz einer festen Stelle womöglich weiterhin ergänzendes Arbeitslosengeld  beantragen zu müssen - so wie das bei meinen letzten Stellen im Medienkonzern und an der Hochschule der Fall war.

Für meine Antwort ließ ich mir drei Tage Zeit. So eine Gehaltsvorstellung ins Blaue, die bricht man schließlich nicht übers Knie.

Nach ausführlichem Nachdenken bedankte ich mich artig bei Frau Personalchefin für die Bewerbungseingangsbestätigung. Wenn man weiß, dass bei dieser Firma „sofort“ im Schnitt „mindestens sechs Wochen“ dauert, kann man leichter geduldig sein.

Meine Honorarvorstellung hingegen, die könne ich ohne die Kenntnis weiterer Details, welche vorzugsweise in einem persönlichen Gespräch zu klären seien, nicht konkret mitteilen.

Vor dem Absenden habe ich ganz unschuldig einen kleinen Tippfehler in meine Antwort eingebaut. Ich habe das Honorar quasi schon selbst gekürzt. Weiteres habe ich von der Firma nicht gehört. Die avisierten sechs Wochen sind allerdings noch nicht vergangen.

Warten wir's ab.

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Montag, 10. März 2014

Edie Brickell

- Rosenworte zum Montag -

Ein Leben lang hab' ich mich nicht getraut und kämpfe bis heute darum, mir zumindest hin und wieder zu erlauben, die zu sein, die ich bin: Kreativ und unbekümmert.

Eine, die sich schon ganz früh getraut ist, ist Edie Brickell. Erinnert ihr euch an ihr wunderbares Album "Shooting Rubberbands at the Stars" von 1988?



Da singt sie zum Beispiel:

Ich bin was ich bin ... Philosophie ist ein Spaziergang auf glitschigen  Steinen ... halte mich zurück im seichten Wasser, bevor ich zu tief gerate ...

Alltags aber ersticke ich schier an der von der Umwelt erwarteten Mittelmäßigkeit. Und während ich immer noch denke und mich frage, was schiefgelaufen ist, dass ich in mir so gefangen bin und mich so selten richtig nach draußen wage, sagt Edie Brickell genau das:


"You feel like a prisoner if you don't create. You're jailed up inside of yourself."*

Eine kluge Frau, die da heute Geburtstag hat - und ganz sicher wert, sich mehr mit ihr zu beschäftigen. Auf ihrer wunderbar kreativen Webseite veröffentlicht sie täglich(!) ein neues Stückchen Musik - den Song of the Day, einfach weil sie gerne singt. Hin und wieder gibt es auch kleine Home Movies mit eigenen Cartoons ... Gutes oder Schräges, manchmal mehr und manchmal weniger gelungen - aber so ist Kreativität eben auch: Ganz alltäglich, nicht immer nur Bestseller! Das ist sehr ermutigend.

Aktuell hat Edie Brickell gerade erst im Januar einen Grammy 2014 einkassiert und arbeitet mit Steve Martin an einem Musical. Brickell ist seit 1992 verheiratet mit Paul Simon und hat mit ihm drei Kinder.

Herzlichen Glückwunsch! Und großes Danke.

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Man fühlt sich wie ein Gefangener, wenn man nicht kreativ ist. Man ist eingesperrt in sich selbst.

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Montag, 3. März 2014

Rosen statt Asche

- Rosenmontagsworte -  

Da heute der echte Rosenmontag ist, also der Rosenmontag der Rosenmontage, der rosigste von allen und gleichzeitig der unrosigste, denn es ist Karneval in Kölle und sonstewo im Land und echter Rosenduft noch in weiter Ferne - wollte ich euch hier eigentlich mit einer quasi rosenfreien Platitüde abspeisen:

"Lieber Rosen am Montag als Asche am Mittwoch"

Aber geschenkt. Da Asche (hier als Synonym von Schotterkieskohle) an sich nicht zu verachten ist, werde ich da keine unnötige Konkurrenz aufmachen. Beide haben ihre Berechtigung, und gegen einen Aschesegen ist nichts einzuwenden. Rosenduft ist mir zwar lieber, aber auch ein Ascheregen bringt Segen und ist bisweilen lebensnotwendig.

Da wollen wir den Teufelchen das Zündeln mal ausnahmsweise erlauben:

Kleine Teufel
Aufgewachsen bin ich mit dem Kölner Karneval, inzwischen sitze ich fest in der hiesigen alemannischen Fasnet. Auch wenn ich keine Freundin von termingerecht alkoholisierter Fröhlichkeit auf Kommando bin, so vermisse ich doch die Leichtigkeit des rheinländischen Humors.

Der größte Unterschied ist nicht, dass es in Köln Blumensträußchen, Pralinchen und Kamelle regnet, hier in badisch Südwest hingegen nur Konfetti (gerne auch mal nur schmuddelige Papierfetzen aus dem Schredder).

Narr + Närrin beim Winteraustreiben
Der Karneval im Rheinland mit seinen Corps, Prinzengarden und Funkenmariechen samt Paraden zu marschähnlicher Musik war eine Reaktion auf das napoleonische Karnevalsverbot zu Beginn des 19. Jahrhunderts, verballhornt alles Militärische und nahm die herrschende Obrigkeit auf die Schippe. Quasi eine Revolution im Kostüm.

Die schwäbisch-alemannische Fasnet folgt eher der alten Tradition des Winteraustreibens. Die Kostüme und Masken sind historisch gewachsen. Die uniformähnlich maskierten Narrenzünfte der Hexen, bösen Geister, Teufel ... lassen ihre groben Späße nicht an der Politik aus, sondern an den Zuschauern.

Am  liebsten sind mir hier noch die fast anarchischen Guggenmusiken mit ihren gewollten Dissonanzen. Sie dürfen den Ton nicht treffen und verzichten in hinreißenden Rhythmen gekonnt auf herkömmliches Taktgefühl. Das ist zwar laut, aber echt närrisch!



Dass all der Lärm obendrein auch noch gesund ist, wusste bereits Michelangelo Buonarroti (1475 - 1564):

"Für die Gesundheit und ein langes Leben ohne großen Kummer weiß ich kein besseres Mittel als die Narrheit"

In diesem Sinne: Jeck loß Jeck elans, dun laache wenn do kanns. Und das am besten nicht nur (rosen)montags.
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